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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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vorenthalten.”
    Driver erntete allgemeines Kopfnicken.
Bruncke verstand den Seitenhieb des Amerikaners sofort, und die Anspielung
gefiel ihm nicht, doch er hielt es nicht für sinnvoll, jetzt darauf einzugehen.
Vielmehr sollte er ein Zeichen seiner guten Absicht setzen. Also gab er den
Anwesenden einen umfangreichen Überblick über den Stand der Ermittlungen, über
die Festnahme Somniaks, und über dessen Aussage, er habe einen Komplizen.
    „Wir würden Ihnen gerne unsere
Verhörspezialisten zur Verfügung stellen”, bot der russische Präsident an.
    „Vielen Dank”, lehnte Bruncke ab.
„Unsere Leute sind absolut kompetent.”
    „Ich zweifele nicht an der
Kompetenz ihrer Leute. Allerdings bin ich mir nicht immer ganz sicher, ob Ihre
Methoden die effektivsten sind”, wandte der russische Regierungschef ein.
    „Unsere Methoden sind über jeden Zweifel
erhaben.”
    „Eben das ist meine Sorge. Wenn
es hier um einen Virus geht, der, wie Sie sagen, das Potenzial entwickeln
könnte, die Menschheit auszurotten, dann sollten nicht die Grundrechte eines
Killers im Vordergrund stehen.”
    Bruncke starrte den Politiker
lange an. Im Prinzip hatte dieser natürlich Recht. Folter widersprach Brunckes
tiefster Überzeugung, doch hier ging es darum, Informationen zur Rettung von
Abermillionen aus einem Menschen herauszupressen, der den Tod dieser Massen
billigend in Kauf nahm und der bereits drei Menschenleben ausgelöscht hatte –
vier, wenn Trébor nicht überlebte.
    Wo zog man hier die ethische
Grenze? In das Schweigen, das der Aussage des russischen Präsidenten gefolgt
war, mischten sich mehr und mehr zustimmende Einwürfe von allen Seiten. Es
schien, als stimme jeder der Meinung des Russen zu, traue sich jedoch nicht,
dies kundzutun.
    „Wir würden uns freuen, in diesem
Fall auf Ihre Unterstützung zählen zu können”, hörte Bruncke sich schließlich
sagen. Er konnte es selber kaum glauben. Hatte er dem russischen Geheimdienst
gerade die Erlaubnis erteilt, einen in deutscher Untersuchungshaft sitzenden
Häftling deutscher Staatsangehörigkeit zu foltern?
    Es war einfach nicht zu glauben,
zu was für Extremen dieser Fall ihn trieb.

108.
    Bruncke hatte nicht viel Zeit
gehabt, Herforth mit allzu detaillierten Informationen zu versehen, denn er
hatte in ein Meeting gehen müssen, doch was er ihr über das Erpresserschreiben
erzählt hatte, hatte völlig ausgereicht, um ihr vor Augen zu führen, wie
essenziell wichtig es war, Somniaks Komplizen zu finden. Es ging nicht mehr nur
um das Beenden der Mordserie, es ging um das Aufhalten einer Pandemie.
    Da das Verhör keinerlei
Aufschlüsse über den Mittäter vermittelt hatte, beauftragte sie ihre Kollegen,
die letzten Tage des selbsternannten Engels so präzise wie nur irgend möglich
zu rekonstruieren. Vielleicht ließen sich auf diese Weise Hinweise auf seinen
Komplizen oder das fünfte Opfer finden. Immerhin war der fünfte Mord die letzte
Chance, den zweiten Täter festzunehmen, ohne vorher seine Identität ermittelt
zu haben. Wenn er sich denn zum Morden zeigte, wie er es bei Dickinson und
Trébor getan haben musste. Wenn er Vorkehrungen getroffen hatte wie bei Meng
Hong und Tran Quoc Tuan, dann hatte man sowieso keine Chance.

109.
    Debbie traf nahezu zeitgleich mit
Holger und Driver am CIA-Hauptquartier im Hotel ‚Seeadler’ ein. Driver hatte
überaus besorgniserregende Neuigkeiten über einen Erpresserbrief, den die
deutschen Behörden ernst nahmen, und auch Holger schien erpicht darauf,
Einzelheiten seines Verhörs mit Somniak zu diskutieren, doch das alles musste
jetzt hinten anstehen.
    Denn Debbie wusste, wie sie das
fünfte Opfer finden konnten, und das hatte jetzt Priorität. Wenn sie noch vor
dem Mord herausfanden, wer das Opfer sein sollte, konnten sie die Person
schützen und mit ein wenig Glück den Mörder bei seinem Versuch festnehmen.
    Holger nahm an dem schwarz
lackierten Konferenztisch Platz, doch Debbie hatte nicht die Muße, sich zu setzen.
Sie musste ihre Gedanken ordnen.
    „Unser Problem war immer, dass
wir von offiziellen Angaben der WHO ausgegangen sind”, sprudelte es aus ihr
heraus, nachdem sie dafür gesorgt hatte, dass Holger und Driver ihre eigenen Mitteilungsbedürfnisse
hinten anstellten und Debbie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten.
    „Kannst du uns einen Bezugspunkt
geben?” fragte Holger und legte die Stirn in Falten.
    „Was?”
    „Kannst du uns vielleicht erst
mal sagen, wovon du redest?”
    Offenbar hatte sie bei

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