Visby: Roman (German Edition)
Kiefern zeichnen ein schwarzes Zackenmuster an den Himmel. Sterne blinken durch den Dunst.
Am Rand der Schotterstraße bleibe ich stehen und schaue zurück. Das Auto ist in der Dunkelheit fast verschwunden, niemand, der vorbeifährt, wird es bemerken. Kein Motorengeräusch, kein Fahrradquietschen ist zu hören. Nirgendwo Licht. Ich folge der Straße, am Parkplatz entlang und dann weiter in den Wald, bis sich in der schwarzen Wand aus Bäumen eine blassere Lücke auftut. Die Fahrspur, die zum Waldhaus führt.
Es ist nicht mehr schwierig, im Dunkeln zu gehen. Meine Augen haben sich angepasst, und meine Füße scheinen die Hindernisse zu spüren. Ganz weit entfernt bellt ein Hund, und nun höre ich auch einen Automotor, aber das Geräusch wird rasch leiser und verliert sich. Links vom Weg flattert etwas auf und fliegt davon. Dann wieder Stille.
Wann war ich zum letzten Mal so allein unterwegs? Ohne dass irgendjemand davon wusste? Es muss zehn oder noch mehr Jahre her sein. In Berlin, sicherlich in Berlin: Während der ersten Monate dort gab es niemanden, der sich für mein Kommen und Gehen interessierte. Es weckte in mir das Gefühl, nicht ganz vorhanden zu sein. Ein Schatten.
Wie jetzt. Wenn ich jetzt immer weiterginge, einfach weiter, tiefer in den Wald hinein: Würde ich dann verschwinden? Mich auflösen, nicht mehr auffindbar sein – nie mehr zum Auto zurückkehren, zum Hotel, keine Rechnungen mehr bezahlen müssen, keine Geldsorgen mehr, kein Getuschel, weil der ausländische Freund sich nun doch aus dem Staub gemacht hat, irgendwann musste es ja so kommen …
Nina nicht mehr wiedersehen. Das ist der Punkt, den ich nie verstehen werde. Dass jemand weggeht und sein Kind im Stich lässt. Es abschüttelt wie eine tote Last.
Wie soll man so einem Menschen je wieder vertrauen.
Rechts von mir weicht die Dunkelheit vom Weg zurück. Die Lichtung, darauf als schwarzer Umriss das Waldhaus. Es scheint in Nebel zu schwimmen. Ich gehe auf dem Fahrweg weiter, bis ich die Vorderfront ganz überblicke.
Links vom Eingang schimmert rötliches Licht hinter den Fenstern.
In dem Raum mit dem Wandgemälde brennen Kerzen.
Nein. Die Farbe stimmt nicht. Es brennt das Kaminfeuer.
Ich mache einen Schritt nach vorn, da höre ich Quietschen. Von rechts, vom Golfplatz her, nähert sich ein Licht.
Hüpfend und schwankend. Jemand kommt auf dem Fahrrad den Weg entlang.
Ich weiche in das Gestrüpp am Wegrand zurück, verfange mich mit den Hosenbeinen in Dornenranken, kämpfe mich durch und drücke mich an den Stamm einer Kiefer. Dort ziehe ich mir den dunklen Schal bis über die Nase und stehe still. Das Quietschen kommt näher. Das Licht streift keine zwei Meter von mir entfernt über das Gestrüpp, springt dann zur Lichtung hinüber und erlischt. Quietschen und Schaben. Jetzt lehnt sie das Fahrrad an, denke ich, und dann: Wenn sie eben gekommen ist, wer ist dann im Haus?
Adrian.
Der Impuls vorzuspringen ist so stark, dass ich die Fäuste balle und den Atem anhalte. Die Frau – denn es ist tatsächlich eine Frau, obwohl ich sie nur als Schatten vor der nebeldunklen Wiese sehe, erkenne ich es an ihrer Art sich zu bewegen – die Frau geht auf das Haus zu, langsam und mit ungleichmäßigen Schritten, aber ohne zu zögern, offenbar ohne Furcht.
Dann bleibt sie stehen. Sie schaut zum Haus.
Minutenlang rührt sie sich nicht. Endlich geht sie weiter, noch langsamer jetzt. Wenige Schritte vor dem Eingang bleibt sie wieder stehen.
Die Haustür öffnet sich. Jemand tritt auf die Schwelle. Ein Mann. Er hält eine Petroleumlampe in die Höhe.
Es ist nicht Adrian. Groß, helle Haare: Es könnte der Mann sein, den ich am Vormittag vor dem Waldhaus gesehen habe. Es könnte irgendjemand sein.
»Hej«, sagt er: das gleiche schwedische Hej, mit dem auch Carl mich begrüßt. Obwohl er nicht laut spricht, kann ich es deutlich verstehen.
Die Frau antwortet nicht. Sie sieht ihn nur an.
Er weicht einen halben Schritt zurück und hält die Petroleumlampe höher. »It’s cold out there. Why don’t you come in?«
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Riga
Von dh.rei | Veröffentlicht am: 03.09.2005 um 11:08 Uhr
Special Agent Nicole Scott geht die Ereignisse in Riga noch einmal durch und notiert, was sie erfahren hat:
Es war nicht einfach, E ueberhaupt zum Reden zu bringen. Aus dem Guru ist ein Waffenhaendler mit vielen Feinden geworden. Entsprechend muss man sich die Leute vorstellen, mit denen er sich umgibt. Die Begruessung fiel ruppig aus,
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