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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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Großes, Weißes – ein Turm? Menschen. Weintrauben.
    Sie spürte, dass ihre Hand unzählige kleine Kreise auf das Papier zeichnete. Unwillkürlich öffnete sie die Augen – und in diesem Moment verschwanden die Bilder in ihrem Kopf.
    Sie hatte Weintrauben gezeichnet. Es schien ihr logisch. Das war das Bild, das sie am häufigsten gesehen hatte.
    Unbekümmert, ohne auf die Drähte zu achten, stand sie auf und blickte hinter den Wandschirm.
    »Was ist passiert«, fragte sie Joyce. »Ich habe Bilder gesehen – was haben Sie mit mir gemacht?«
    Joyce stand rasch auf. »Ich habe einfach eine weitere Elektrode angebracht.«
    Kaitlyn legte eine Hand auf die Stirn. Es fühlte sich an, als befände sich etwas zwischen der Elektrode und der Haut.
    »Über deinem dritten Auge«, fügte Marisol mit steinerner Miene hinzu.
    Joyce sah sich zu ihr um. Marisols Gesicht war völlig ausdruckslos.
    Kaitlyn erstarrte. Ihre Zeichnung gestern … »Was … was ist das dritte Auge?«
    »Der Sage nach liegen dort die übersinnlichen Fähigkeiten«, sagte Joyce leichthin. »Es befindet sich in der Mitte der Stirn, dort, wo die Zirbeldrüse sitzt.«

    »Aber warum sollte eine Elektrode …«
    »Guter Gott, da sind immer noch Alphawellen«, unterbrach Marisol.
    »Höchste Zeit, die Drähte zu entfernen«, sagte Joyce schnell. Sie nahm Kait die Elektroden ab. Kaitlyn spürte, wie Joyce auch die Elektrode auf der Stirn entfernte, doch es ging alles so schnell, dass sie nicht sehen konnte, was es damit auf sich hatte.
    »Übrigens, was hast du empfangen?«, fragte Joyce und nahm ihr das Klemmbrett ab. »Oh, fantastisch«, rief sie. »Ach, seht euch das mal an!«
    Ihr freundlicher Tonfall ließ Kaitlyn ihre Beunruhigung vergessen.
    »Nicht zu glauben – du hast das Zielbild genau erfasst, Kait! Ganz genau, bis hin zur Zahl der Trauben.«
    Anna und Lewis drängten sich ebenfalls um das Bild. Die Testperson, ein groß gewachsenes dunkelhäutiges Mädchen, zeigte Kait das Foto, das sie in der Hand hielt. Es waren Weintrauben. Kaits Zeichnung sah aus, als hätte sie das Bild vor sich gehabt und abgezeichnet.
    »Das ist wirklich beeindruckend«, sagte jemand hinter Kaitlyn. Sie hatte das Gefühl, als ginge ihr Herz ansatzlos in den Sprint über.
    »Ich glaube, das war Zufall«, sagte sie, während sie sich zu Rob umdrehte.
    »Nein, das war kein Zufall«, sagte Joyce. »Das war
gute Konzentration. Und eine gute Testperson. Wir hätten Sie gerne wieder einmal hier, wenn es Ihnen recht ist.«
    Rob sah Kaitlyn ins Gesicht, und seine goldenen Augen verengten sich. »Ist mit dir alles in Ordnung? Du siehst ziemlich müde aus.«
    »Also, das ist wirklich seltsam, aber ich bekomme gerade Kopfschmerzen.« Kait fasste sich mit zwei Fingern auf die Stirn, wo der Schmerz völlig unvermittelt wie ein Eispickel zu hämmern begann. »Ach, wahrscheinlich habe ich letzte Nacht einfach nicht genug geschlafen.«
    »Ich glaube, sie braucht eine Pause«, sagte Rob.
    »Natürlich«, sagte Joyce sofort. »Wie wäre es, wenn du nach oben gehst und dich ein wenig hinlegst, Kait? Wir sind hier fertig.«
    Kait fühlte sich plötzlich wackelig auf den Beinen.
    »Ich helfe dir«, sagte Rob. »Stütz dich auf mich.«
    Das war die perfekte Gelegenheit, besser als jeder Plan oder Trick, den sich Kaitlyn hätte ausdenken können. Aber es nützte ihr nichts, denn die Kopfschmerzen brachen mit voller Wucht über sie herein, und sie wollte sich nur noch hinlegen und schlafen.
    Der Schmerz war pochend und kam schubweise. Rob musste sie in ihr Zimmer führen, weil auch ihre Sehkraft beeinträchtigt war.

    »Leg dich hin«, sagte Rob und knipste die Nachttischlampe aus.
    Kaitlyn streckte sich aus und spürte, wie die Matratze neben ihr unter Robs Gewicht nachgab. Sie öffnete die Augen nicht. Sie konnte nicht, denn sogar das schwache Nachmittagslicht, das vom Fenster hereinkam, schmerzte.
    »Das klingt wie eine Migräne«, sagte Rob. »Ist der Schmerz einseitig?«
    »Er sitzt hier. Genau in der Mitte«, flüsterte Kaitlyn und deutete mit dem Finger auf die Stelle.
    Nun setzte auch noch eine Übelkeit ein, die in Schüben über sie kam. Oh wunderbar, dachte sie, wie romantisch.
    »Hier?«, sagte Rob überrascht. Seine Finger fühlten sich auf ihrer Stirn angenehm kühl an. Merkwürdig, das letzte Mal waren sie warm gewesen.
    »Ja«, flüsterte Kaitlyn kläglich. »Das wird schon wieder. Du kannst gern gehen.« Was tue ich hier nur?, fragte sie sich. Jetzt erkläre ich dem Jungen, den

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