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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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sah aus, als machte er die größte Entdeckung seines Lebens.
    »Kaitlyn?«, flüsterte er. Sein Ton war ehrfurchtsvoll, fragend und fast ängstlich.
    Kaitlyn bekam keinen Ton heraus. Auch sie stand auf der Schwelle zu etwas Großem, etwas völlig Neuem. Es machte ihr Angst, denn es würde alles verändern, auf alle Zeiten. Aber sie wollte es. Sie wollte, dass es geschah.
    Das Universum schien den Atem anzuhalten, schien nur auf sie zu warten.
    Aber Rob rührte sich nicht. Er stand kurz vor einer großartigen Entdeckung.
    Er braucht Hilfe, dachte Kaitlyn. Er begreift es noch nicht.
    Es war an ihr, es ihm zu zeigen, ihm bei diesem ersten
Schritt zu helfen – wenn sie es wollte. Und sie wollte es. Kaitlyn war plötzlich ganz ruhig und entspannt. Sie sah vor ihrem inneren Auge, was geschehen würde, sah es wie ein Bild, das sie bereits gezeichnet hatte.
    Sie würde sein Gesicht in die Hände nehmen und ihn küssen – sehr sanft. Und Rob würde sie überrascht ansehen. Vollkommen unschuldig, aber nicht dumm. Rob war nicht schwer von Begriff. Nach dem zweiten Kuss würde aus der Überraschung Glück werden. Seine goldenen Augen würden glühen, wie in den Momenten, wenn er wütend war, nur aus einem anderen Grund.
    Dann würde er die Arme um sie legen und sie küssen, sehr zart. Die Energie, die heilende Energie würde zwischen ihnen hin- und herfließen. Und alles wäre wunderbar.
    Mit angehaltenem Atem berührte Kaitlyn Robs Gesicht, sah ihre eigenen anmutigen Künstlerfinger an seinem Kinn. Schon bei dieser kleinen Berührung tanzten Funken auf ihrer Handfläche. Es schien alles so einfach und natürlich, als wüsste sie instinktiv, was zu tun war. Als hätte sie es schon immer gewusst, irgendwo in ihrem Innern.
    Man stelle sich das vor: Kaitlyn, die Kalte, wusste, was zu tun war, war sich ihrer selbst so sicher. Gleich würde es geschehen.

    Dann durchbrachen Stimmen ihren Tagtraum. Lachende Stimmen, die nicht in Kaitlyns wunderschöne neue Welt gehörten. Verwirrt sah sie auf.
    Lewis und Anna standen in der Tür. Gabriel war hinter ihnen.
    »Hey, Kait«, sagte Lewis fröhlich. Und dann, als er ihr Gesicht sah: »Äh, hoppla.«
    Anna war es schrecklich peinlich, dass sie so hereingeplatzt waren. »Wir wollten nicht stören«, sagte sie und packte Lewis bei der Schulter, um ihn zum Gehen zu bewegen.
    »Eine kleine therapeutische Berührung im Dunklen? «, fragte Gabriel kühl.
    Kaitlyn war am Boden zerstört. Die Offenbarung, das Erstaunen in Robs Gesicht waren verschwunden. Es war alles noch im Entstehen gewesen, so zerbrechlich – und nun war es dahin. Zurück blieben nur Robs übliche Freundlichkeit und Anteilnahme. Seine freundschaftliche Zuneigung zu Anna, Lewis und ihr.
    Und sein Hass auf Gabriel.
    »Kait hatte Kopfschmerzen«, sagte er, stand auf und sah Gabriel direkt an. »Das geht dich gar nichts an.«
    »Es scheint ihr ja jetzt besser zu gehen«, bemerkte Gabriel und warf Kaitlyn einen spöttischen Blick zu. Sie starrte hasserfüllt zurück.
    »Es wäre nett, wenn ihr mich allein lassen würdet«, sagte sie.

    »Wir sind schon weg«, sagte Anna hastig. Sie warf Kaitlyn einen zerknirschten Blick zu. »Komm schon, Lewis.«
    »Hast recht«, sagte Rob, und zu Kaits Enttäuschung marschierte er hinter den beiden her. »Soll ich die Tür zumachen?«, fragte er.
    Wenn es ein Trick gewesen wäre, um sicherzugehen, dass Gabriel und die anderen tatsächlich gingen, hätte Kaitlyn das verstanden. Aber so war es nicht. Rob hatte tatsächlich alles vergessen. In seinem besorgten Blick war nicht mehr als brüderliche Zuneigung.
    Es gab auch keine Möglichkeit, wieder zu ihm durchzudringen. Zumindest nicht heute. Die Chance war dahin.
    Sie wusste nicht, auf wen sie wütend sein sollte – auf Gabriel, Anna und Lewis oder Rob. Am liebsten hätte sie ihm den Hals umgedreht. Trotzdem liebte sie ihn mehr denn je.
    »Ja, bitte mach die Tür zu«, sagte sie.
    Als sie allein war, lag Kaitlyn auf dem Bett und beobachtete, wie das warme Nachmittagslicht der kühl violetten Dämmerung wich. Der Raum wurde von geheimnisvollen Schatten erfüllt. Kait schloss die Augen.
    Da schreckte ein Geräusch sie auf. Es klang wie das Rascheln von Papier. Sie setzte sich auf und sah sich
im Raum um. Da war es, etwas Weißes, das schimmernd unter der Tür durchkroch. Nein, nicht kroch – es wurde geschoben.
    Kaitlyn hastete zur Tür. Gelbes Licht aus dem Flur schien durch die Ritze am Boden. Das Papier bewegte sich noch. Sie ignorierte es und

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