Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
sagen? Habt ihr kein Vertrauen?, fügte er hinzu, und es klang wie ein Flüstern.
»Süßstoff bitte«, sagte Kaitlyn zu Rob. Ich vertraue ihr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas weiß.
Du Idiot! Du kannst niemandem trauen, knurrte Gabriel von oben. Die Lautstärke seiner Gedanken machte Kaitlyn Kopfschmerzen.
Rob und Lewis setzten sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck an den Tisch. Kaitlyn schenkte Joyce Kaffee ein und gesellte sich dazu. Die hörbaren Gespräche bildeten zu den stillen einen gespenstischen Kontrapunkt.
Ich sage das nicht gern, aber ich glaube, er hat recht, sagte Rob, als das Echo der lautstarken Botschaft aus dem ersten Stock verhallt war. Ich möchte Joyce auch vertrauen, aber sie erzählt Mr. Zetes alles. Sie hat ihm das von Marisol erzählt, und ihr wisst, was passiert ist.
»Es wird alles gut werden«, sagte Anna zu Joyce. Die Sache mit Marisol setzt ihr furchtbar zu. Das ist echt, erklärte sie den anderen.
Sie ist eine Erwachsene, erwiderte Gabriel. Man kann keinem Erwachsenen trauen.
Falls sie unschuldig ist, könnte es für sie auch gefährlich werden, fügte Rob hinzu.
»Wenn wir Marisol irgendwie helfen können, dann sagen Sie es uns bitte«, sagte Kaitlyn zu Joyce. Na gut, wir sagen es ihr nicht, gab sie nach. Aber wir müssen uns Informationen zur Telepathie beschaffen. Und wir müssen darüber reden, was Rob und ich im Keller gefunden haben.
Rob nickte und überspielte es mit einem heftigen Hustenanfall.
Wir treffen uns in der Schule, allein. Wenn wir immer so reden müssen wie jetzt, werde ich noch verrückt. Kaitlyn spürte Zustimmung von allen Seiten, ausgenommen von oben.
Damit bist auch du gemeint, Gabriel, sagte Rob grimmig. Du hast das alles schließlich losgetreten. Du wirst gefälligst kommen.
Laut sagte er: »Kann mir mal jemand den Orangensaft reichen?«
KAPITEL DREIZEHN
Als sie sich in der Schulcafeteria zum Mittagessen trafen, erzählten Kaitlyn und Rob, was sie in Mr. Zetes’ geheimem Kellerbüro gefunden hatten. Anna und Lewis waren ebenso ratlos wie sie, was es mit den verschiedenen Akten und Unterlagen auf sich haben könnte.
»Psychoaktive Waffen«, sagte Gabriel, als ließe er sich die Worte auf der Zunge zergehen. Sie hatten vorher vereinbart, laut miteinander zu reden, und Kaitlyn hatte keine Ahnung, was Gabriel hinter seiner Schutzmauer dachte.
»Weißt du, was das bedeutet?«, fragte Rob. Seine Einstellung zu Gabriel hatte sich über Nacht komplett verändert. Er zeigte sich jetzt toleranter, aber unverändert streitlustig. Kaitlyn hatte das ungute Gefühl, dass er Gabriel reizen und provozieren wollte. Doch das beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit.
»Das dürfte ja nun auch der letzte Volltrottel begreifen«, erwiderte Gabriel. »Das sind Waffen, die von Menschen mit übernatürlichen Kräften aktiviert werden. «
Mit übernatürlichen Kräften aktiviert?
»Lewis!«, sagten Kaitlyn, Anna und Rob wie aus einem Mund. Gabriel begnügte sich mit einem vernichtenden Blick.
»Tut mir leid. Ich sage nichts mehr, seht ihr?« In einem gespielten Akt der Verzweiflung trank Lewis seine Milch in einem Zug leer.
»Von Menschen mit übernatürlichen Kräften … aktiviert«, wiederholte Gabriel eisig, Lewis fest im Blick. »Muss ich Waffen auch erklären, oder schaffst du das allein? «, fragte er, als keine weitere Unterbrechung kam.
Rob beugte sich vor. »Dann weißt du sicher auch, warum die NASA will, dass er Waffen entwickelt?«
Kaitlyn warf klirrend die Gabel auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne zu bekommen. »Vielleicht wollte die NASA gar nicht, dass er sie entwickelte, sondern nur, dass er herausfand, ob jemand anders so etwas entwickeln könnte. 1986, das war das Jahr, in dem die Raumfähre Challenger explodierte, stimmt’s? Vielleicht dachte die NASA ja, es wäre so etwas wie … Sabotage gewesen. Übernatürlicher Art.«
»Durch wen?«
»Weiß nicht — die alte Sowjetunion vielleicht? Jemand, der nicht wollte, dass die USA mit ihrem Raumfahrtprogramm weiterkamen? Menschen, die dazu in der Lage sind, mit übersinnlichen Kräften über weite Entfernungen Telekinese zu betreiben, könnten
von der Erde aus in einer Raumfähre Schalter betätigen. Ich weiß, das ist keine nette Vorstellung, aber möglich wäre es.«
»Wir haben es ja auch nicht mit netten Leuten zu tun«, sagte Anna.
»Und was ist mit den anderen Unterlagen?«, fragte Lewis. »Das mit der Pilotstudie und dem Brief der Richterin
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