Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
Vom Netzwerk:
unten.«
    »Von mir aus geh suchen. Ich warte aber nicht.«
    Ich erzähle ihr, dass ich unten jemanden gesehen habe.
    Sie schaut angestrengt in die Tiefe. »Ich seh nix.«
    »Ich hab ihn ja auch nur entdeckt, weil es hell war vom Blitz.« Ich gebe mir Mühe, ruhig zu bleiben.
    »Dann geh ich erst recht hoch!«, sagt Lexi. »Du hast Schiss, dass es Lenny war, stimmt’s?«
    Ich schüttle den Kopf. Keine Ahnung. Es kann auch sonst wer gewesen sein.
    »Devlin ist da oben!« Sie bindet sich die Haare zusammen. »Das spür ich.«
    |295| Sie tappt vorsichtig über die Plattform, hält sich wegen dem Wind an den seitlichen Streben fest und erklimmt die nächste Leiter.
    Ich bin irgendwie ratlos. Ein Handy wäre jetzt ausgesprochen nützlich. Es könnte uns das Leben retten.
    Andererseits ist Lexi schon außer Reichweite und läuft da oben Gott weiß wem in die Arme. Wie soll ich damit klarkommen, falls ihr was zustößt? Wie kann ich irgendwem erklären, dass ich sie allein und mit blutender Stirn hab weiterklettern lassen, bloß weil ich mir mein blödes Handy wiederholen wollte?
    Da läuft es mir eiskalt den Rücken runter, denn tief, tief unter mir höre ich das leise
Klink
,
Klink
von schweren Schuhen auf Metall.

|296| Fünfundzwanzig
    Ich drücke mich an die Streben und wage mich nicht zu rühren. Dicke Drahtseile führen senkrecht die Mittelsäule hoch und runter, und der Regen prasselt auf das Metall. Über mir ragt der Ausleger weit über das Baugelände hinaus, vorne schaukelt eine Kette mit einem Riesenhaken dran im Wind.
    Los, weiter!
Ich kraxle hinter Lexi her die Leiter hoch. Zwischendurch halte ich immer wieder an und spitze die Ohren. Ich höre zweierlei Tritte. Die einen stammen von Lexi, die inzwischen nur noch langsam vorankommt, die anderen kommen näher und näher und scheinen die Leitersprossen nur so hochzufliegen,
tapp
,
tapp
,
tapp
,
tapp
, wie von einem Hochleistungssportler. Das beruhigt mich fast ein bisschen. Lenny hat neun Jahre hinter Gittern gesessen, da kann er nicht dermaßen fit sein. Nein, es muss jemand anders sein, jemand, der öfters einen Kranmast hochklettert, ein Kranführer. Gleich hat er uns eingeholt und es setzt was. Aber was hat ein Kranführer bei diesem Wetter hier zu suchen? Ich klettere noch ein paar Sprossen höher, dann höre ich etwas.
    Über meinem Kopf ruft jemand. Und es klingt ganz nach Devlin Juby.
    |297| »HOLT MICH HIER RAUS!«
    Er lebt!
    Im Affentempo erklimme ich die letzte Leiter und klettere durch eine falltürähnliche Öffnung, dann stehe ich ganz oben auf dem Kran und   … Mannomann   …
    Es ist dunkel, aber ich kann den schmalen Absatz, auf dem wir stehen, eben noch erkennen. Das Kranführerhaus ist seitlich am Mast angebracht und nur ein Gitterabsatz und fünfundzwanzig Meter leere Luft sind zwischen mir und dem Erdboden. Der Ausleger reckt sich von uns weg und über uns kommen noch mehr Mast und Mechanik. Das kurze Ende vom Ausleger haben wir im Rücken, daran hängen wuchtige Metallgewichte und Flaschenzüge. Ziemlich vorn auf dem langen Ausleger sitzt eine Trommel, auf der ein dickes Stahlseil aufgerollt ist. Wir sind richtig weit oben. Der Wind bläst mir den Regen voll ins Gesicht. Ich sehe wieder die beiden kleinen Gestalten vor mir, die vom Himmel fallen. Unter uns tappen schwere Schuhe.
    Ich drehe mich nach Lexi um. »Hörst du das?« Aber sie balanciert schon zur Kabinentür. Eine Urinfahne weht uns entgegen.
    »Bist du da drin, Devlin?« Sie hält sich am Geländer fest, weil der Wind sie umzupusten droht.
    »Lex?« Die Stimme überschlägt sich vor lauter Staunen.
    »Wir holen dich raus!«
    »Beeil dich! Es blitzt!«
    Devil hat Gewitter noch nie gemocht. Wir haben nicht viel Platz auf unserem Gitterabsatz und das Geländer am Rand reicht mir nur bis zur Taille. Ich klammere mich so |298| fest an die Stäbe, dass meine Finger taub werden. Ich schaue nicht nach unten.
    »Mach schon!«, brüllt Devil.
    Das Tappen kommt immer näher. Als ich runterschaue, erkenne ich nur ein paar Meter unter uns zwei bleiche Hände, die sich geschickt Sprosse um Sprosse hochziehen.
    »Es ist abgesperrt!« Lexi tastet hektisch über die Tür. »Das gibt’s doch nicht – der Schlüssel steckt!«
    »Lass mich raus!«, grölt Devil.
    Lexi dreht den Schlüssel um und im selben Augenblick taucht in der Bodenluke eine Schirmmütze auf.
    »Lass uns rein!«, brülle ich, als der Wachmann sich hochzieht. Er hievt sich auf den Gitterabsatz.
    Ich schnappe nach Luft.

Weitere Kostenlose Bücher