Voellig durchgeknallt
Lenny. »St-starke elektrische Ladungen machen mich immer g-ganz n-nervös.«
»Bleib hier, Lexi«, sagt Devil da auf einmal. »Der Typ ist nicht normal.«
Lexi lässt sich wieder auf den Sitz sinken. Ich bin froh, aber auch ein bisschen ärgerlich. Wieso hört sie auf Devil und nicht auf mich?
Da dreht sich der Schlüssel in der Tür.
»Hört mal hin!«, sagt Lenny.
Wir sind mucksmäuschenstill, hören aber nichts, nur Wind und Regen.
»Das war der Schlüssel, der den Leiterschacht runtergefallen |302| ist«, verkündet Lenny. »Verdammte Rotzg-g-gören!«
Wir hören, wie er runterklettert. Seine Tritte werden immer leiser.
»Na super!« Ich reibe mir die Hände. »Hat irgendwer ’ne Idee?«
Es regnet immer noch, aber das Gewitter ist abgezogen. Regen läuft die beschlagene Scheibe runter. Ich wische ein Guckloch frei und sehe einen Blitz über die Hügel hinter der Stadt zucken. Devil hat sich hinter dem Kranführersitz auf den Boden gehockt und sieht aus, als ob er es einigermaßen bequem hat, aber mir tut alles weh, ich stehe verkrampft da und weiß nicht, wie lange ich es hier drin aushalte.
»Weiß Dad, dass ich hier bin?«, erkundigt Devil sich.
»Nö.« Lexi drückt sich ein Papiertaschentuch an die Stirn. Sie hat den Kopf auf die Knie gelegt und die Füße auf den Sitz gezogen. Sie sieht klein und zerbrechlich aus. Dann macht sie ihre Tasche auf und holt eine Coladose raus.
»Gib her«, sagt Devil.
»Wie lange bist du schon hier drin?«, frage ich, als Lexi ihm die Cola gibt. Er reißt sie auf und trinkt mit großen Schlucken. Er gluckert die ganze Dose leer, drückt sie platt und zwängt sie durch einen schmalen Fensterschlitz unter dem Kabinendach.
»Drei Tage.«
Ich greife in meinen Rucksack und hole noch eine Dose raus.
|303| »Freitagabend hat mir ganz schön die Birne gebrummt.« Devil leert die zweite Dose. Lexi wirft mir einen bösen Blick zu und ich verdrehe die Augen. Devil rülpst. Man kann bei dem Schummerlicht nicht allzu gut sehen, aber er kommt mir dünner vor, und habe ich schon erwähnt, dass er übel riecht? Schlimmer als eine verschwitzte Fußballmannschaft mit Blähungen.
»Du stinkst«, sage ich freundschaftlich.
»Weiß ich. Tagsüber ist es hier drinnen sauheiß. Als ob man in ’nem verdammten Gewächshaus eingesperrt ist, bloß dass man das Glas nicht kaputt kriegt. Es ist Sicherheitsglas.« Er schaut Lexi an. »Hast du auch was zu essen?«
»Nö.« Lexi ist total cool. Als ob ihr so was jeden Tag passiert. Und Devil hält sich ziemlich gut für einen, der schon drei Tage in einem engen Käfig oben auf einem hohen Mast eingesperrt ist. Vielleicht sind die beiden solche Sachen gewöhnt. Wenn man mit Juby unter einem Dach wohnt, erlebt man vielleicht jeden Tag irgendwas Schreckliches. Ich bin derjenige, der schwitzt und schlottert. Ich bin derjenige, der vor lauter Angst und Sauerstoffmangel wahrscheinlich gleich umkippt. Ich gebe Devil ein paar Kekse aus meinem Rucksack. Natürlich nicht alle. Keine Ahnung, wie lange wir es hier drin noch aushalten müssen. Dann versuche ich, mein Hirn so weit wieder einzuschalten, dass ich dem folgen kann, was er erzählt.
»Freitag war ich echt mies drauf, weißt du. Wegen diesem knallharten Typen hier.« Er deutet mit dem Kinn auf mich und ich drücke mich an die Scheibe. Hoffentlich nutzt er die Gelegenheit nicht, um sich zu rächen.
|304| »Dann ist mir ein Farrow-Klon übern Weg gelaufen.« Er meint einen von den Farrow-Zwillingen. »Ich hab ihn gefragt, ob er mir was pumpt, aber er wollte nicht. Sein Pech.«
»Devlin!«, mahnt Lexi.
»Der Typ geht mir voll auf ’n Sack. Ich wollte mir doch bloß ’nen Kebab kaufen.«
»Welcher war’s denn?«, erkundige ich mich.
»Jamie, der kleine Wichser.«
Armer Jamie. Ich kann es mir gut vorstellen. Warum hat er nichts gesagt, als Devil vermisst gemeldet wurde? War er heute Morgen überhaupt in der Schule?
»Egal, als ich mit Jamie fertig war, kommt im Park so’n Typ an und meint: ›Du bist doch Juby, stimmt’s?‹ Ich hab ja gesagt und gefragt, was ihn das angeht, und er meint, er wär ’n alter Freund von Dad und würde mir ’n Kebab spendieren. Könnt ja sein, der Typ is ’n Perverser oder so, aber ich hatte keine Angst, weil ich hätt ihm jederzeit die Fresse polieren können. Außerdem hatte ich Hunger. Er hat mir alles Mögliche über sich erzählt und gemeint, wahrscheinlich interessiert mich das alles gar nicht, weil ich bestimmt ’n Typ bin, der nicht mit
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