Vogel-Scheuche
pflegte die meisten Lebewesen bereits im Vorfeld zu vertreiben. Doch hatte sie gleich den Eindruck gehabt, daß der Hai eine etwas nachhaltig e re Behandlung verdiente.
Inzwischen bahnte sich das Boot seinen Weg über den Fluß, und eine höfliche, hilfsbereite Brise vertrieb langsam die Reste des Dufts.
Nachdem Metria zurückgekehrt war, wandte sich Ichabod an sie: »Dämonin, wenn du doch beim nächsten Mal, da ein Ungeheuer droht, uns zu verschlingen, die Güte hättest, ihm seinen Wunsch in Frieden zu gewähren.« Doch immerhin quälte er sich dabei ein kränkliches Lächeln ab.
Endlich erreichten sie das gegenüberliegende Ufer und gingen wieder an Land. Das Boot stank noch immer nach dem Horn, und so ließen sie es in all seiner Trostlosigkeit flußabwärts davontreiben. Wo es vorbei kam, geriet die Vegetation am Ufer vorübergehend ins Welken.
Sie marschierten durch ein Feld Posierblumen, das sich weit vor ihnen erstreckte. Jede Blume plusterte sich beim Vorbeikommen auf, verstärkte ihre Farbe und versteifte die Blätter, um sich in Pose zu werfen.
Da erschien ein Mädchen vor ihnen. Nein, es waren sogar zwei Ki n der, das andere war ein Junge – offensichtlich Zwillinge. »Wer seid ihr?« fragte das Mädchen frech.
Metria sauste hinüber und erschien vor den Kindern. »Ich bin die D ä monin Metria, geschäftlich unterwegs. Und wer seid ihr?«
»Ich bin Abscissa«, erwiderte das Mädchen. »Ich bewege mich entlang der X-Achse, weil ich das X-Chromosom habe.«
»Entlang der was?«
»Horizontal.« Eine Linie erschien, und plötzlich machte das Mädchen einen kurzen Satz beiseite, ohne dabei die Beine zu bewegen.
»Und ich bin Ordinate«, ergänzte der Junge. »Ich reise entlang der Y-Achse, weil ich das Y-Chromosom habe.« Wiederum erschien eine Linie, und er machte einen Satz zurück, ohne die Beine zu bewegen. »Vertikal.«
»Geometrisch und genetisch gesprochen«, warf Ichabod fasziniert ein. Er holte sein kleines Notizbuch hervor. »Das sind wirklich höchst int e ressante Talente. Wessen Kinder seid ihr denn?«
Die beiden schossen wieder aufeinander zu. »Wir sollten eigentlich Grey Murphys und Prinzessin Ivys Zwillinge werden«, antwortete Ab s cissa.
»Aber die haben zu lange gebraucht, um zu heiraten, da hat uns der Storch in einem Waisenhaus abgeliefert«, ergänzte Ordinate.
»Das ist wirklich eine Schande«, meinte Kim. »Habe ich doch schon immer gewußt, daß sie sich viel zu viel Zeit damit gelassen haben.«
»Und außerdem sollten sie jeden Augenblick heiraten«, warf Metria ein. »Auch wenn sie noch nichts davon wissen.«
Die anderen musterten sie neugierig, doch die Blicke glitten an ihr ab, ohne sie zu beeindrucken, weil sie sie nicht beachtete.
»Behandelt das Waisenhaus euch denn auch gut?« erkundigte sich A r nolde.
»Oh, klar«, meinte Abscissa.
»Natürlich kann es nicht mit uns Schritt halten, wenn wir mal ausgehen wollen«, ergänzte Ordinate.
»Zusammen können wir nämlich überall hin, wenn wir wollen«, erklä r te Abscissa. »Indem wir unsere Koordinatenkarte projizieren«, ergänzte Ordinate.
»Das ist wirklich hochinteressant«, meinte Ichabod und machte sich eine weitere Notiz. »Reisen mit Geometrieantrieb.«
»Wo könnt ihr überall hin?« wollte Jenny wissen.
»Überall«, meinte Abscissa.
»Auch bis zu dem Baum dort hinten?« fragte Jenny und wies auf einen fernen Bolzenbaum, der am Rand des Blumenfelds stand.
»Na klar doch«, meinte Ordinate. »Schau mal zu.«
Die beiden Kinder konzentrierten sich. Linien erschienen, jeweils mit »X« und »Y« markiert. Sie erstreckten sich über das ganze Feld, schnitten einander, bildeten ein Kreuz. Ein Punkt erschien neben dem fernen Baum. Die beiden Kinder gaben sich die Hand, und plötzlich standen sie neben dem Baum.
Metria sauste zu ihnen hinüber. »Seid ihr das wirklich?« fragte sie.
»Na klar doch, Dämonin«, erwiderte Abscissa.
»Wer denn wohl sonst?« ergänzte Ordinate.
»Es könnte ja eine Illusion sein.«
»Nein, über diese Magie verfügen wir nicht«, erwiderte Abscissa und runzelte dabei allerliebst die Stirn.
»Das würde aber Spaß machen«, ergänzte Ordinate.
Metria schoß zur Gruppe zurück und mußte feststellen, daß die Kinder schon vor ihr dort eingetroffen waren. »He, ihr seid aber wirklich gut!« meinte sie.
»Natürlich«, erwiderte Abscissa. »Wir sind immer gut.«
»Aber wir sollten lieber eine Familie bekommen«, erwiderte Ordinate.
»Vielleicht finden wir ja noch
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