Vogel-Scheuche
Summvogel. Dann huschte sie zur Oberfläche hinauf, wo sie auf die beiden anderen warteten, die sich erst ihren Weg durch das Labyrinth der Nagahöhlen bahnen mußten und dementsprechend länger brauc h ten. »Hast du denn noch keine Höschen zu Gesicht bekommen?« fragte sie den Vogel.
Da erschien wieder Prinz Dolph. »Natürlich nur Electras. Die sind zwar ganz hübsch, aber…«
»Aber niemand füllt seine Höschen so aus, wie Mela es tut«, beendete Metria seinen Satz. »Wenn ich mich richtig erinnere, hat sie dich sogar ohne schon einmal beinahe in den Wahnsinn getrieben, da warst du neun Jahre alt.«
»Ja. Das habe ich nie vergessen.«
»Das solltest du auch nicht«, meinte sie schnippisch. »Hätte sie dir d a mals ihre Höschen gezeigt, wäre es ein Verstoß gegen die Erwachsene n verschwörung gewesen. Deshalb habe ich dir meine auch nie gezeigt.«
»Ich weiß. Das war ziemlich frustrierend.«
»Na ja, darum geht es ja schließlich bei der Verschwörung. Was soll aus Xanth werden, wenn Kinder alles zu sehen bekommen, was sie wo l len, oder wenn sie niemals mitbekommen, daß man einige Dinge vor ihnen verbirgt?«
»Inzwischen begreife ich das ja. Aber damals nicht.«
»Weil Kinder es auch gar nicht begreifen sollen. Die müssen in aufg e regter Unwissenheit gehalten werden, damit sie argwöhnen, was ihnen entgeht. Was hätte es sonst für einen Sinn?«
»Überhaupt keinen«, bestätigte er.
Da öffnete sich eine Steinluke, und Mela und Naldo kletterten heraus. »Gehen wir«, entschied Naldo.
Dolph nahm Rocgestalt an und hob sie sanft in seine Klauen, dann schwang er sich gen Himmel. Doch er irrte sich und brachte sie nach Schloß Roogna statt zum Namenlosen Schloß.
»Ach, das macht nichts«, meinte Mela. »Dann warten wir eben hier bis zum Prozeß. Ich kann meine Freunde besuchen, und Naldo kann sich mit den königlichen Herrschaften vergnügen.«
»Soll mir recht sein«, stimmte auch der Prinz zu. »Vielleicht lerne ich ja einmal diesen Dämonenprinzen kennen, auf den meine Schwester es so abgesehen hat. Erst habe ich mir ja ihretwegen Sorgen gemacht, aber schließlich ist es doch noch ganz gut gelaufen.«
Metria widerstand der Versuchung, ihm zu erzählen, daß auch sie ihre Hand dabei im Spiel gehabt hatte, denn die Zeit war knapp und sie mu ß te weitermachen. Also begleitete sie die beiden nach Schloß Roogna und konzentrierte sich danach wieder auf ihre Aufgabe.
Die nächste Marke war für Okra Ogerin bestimmt. Das dürfte eigen t lich kein Problem sein. Okra lebte zusammen mit Trümmer Oger im tiefsten, finstersten Urwald.
Metria huschte hinüber und merkte gleich, als sie in die richtige G e gend kam, denn das zeigte sich an den zu Brezeln verformten kleinen Bäumen, am argwöhnischen Aussehen der größeren sowie am eing e schüchterten Verhalten der mittelgroßen Drachen. So war das eben, wenn man einen Oger zum Nachbarn hatte. Okra hatte Trümmer Oger betört, obwohl sie bei weitem nicht häßlich, dumm oder stark genug war, dennoch hatte es funktioniert, weil er von allen drei Qualitäten mehr als genug für beide besessen hatte. Sie selbst glaubte, daß sie ihren Erfolg der Tatsache zu verdanken hatte, eine Hauptfigur geworden zu sein, denen nie etwas wirklich Unangenehmes zustieß.
Und tatsächlich, da stand auch schon ein Splitterhaus inmitten der ganzen Verwüstung, wo eine nicht allzu häßliche Ogerin gerade damit beschäftigt war, mit einem Stück Eisenholz Kastanien auf einem moo s bewachsenen Stein zu zermahlen.
»Ich habe eine Vorladung für dich«, verkündete Metria. »Du bist als Zeugin zum Prozeß gegen Roxanne Roc geladen.«
»Ich glaube nicht, daß ich kommen kann«, meinte Okra. »Ich muß erst noch diese Kastanie hier zertrümmern, damit Trümmer sie essen kann und genug Kraft für seine allabendliche Dracheneinschüchterung hat.«
»Könnte er sie nicht schneller selbst knacken?«
»Stimmt, aber das würde den größten Teil der Kastanie vernichten. Wenn er sie zertrümmert, fliegen die Splitter meist meilenweit auseina n der.« Sie lächelte verliebt. »Er ist und bleibt eben ein Oger! Also mache ich es für ihn, weil ich feinfühliger bin.« Sie drosch mit dem Holz auf die Kastanie ein. »Außerdem hilft er mir ja.«
»Tatsächlich? Wie denn?«
»Indem er die Unterlage abgibt, damit ich sie zertrümmern kann.«
Metria sah genauer hin. Erst jetzt bemerkte sie, daß das, was sie für e i nen moosbewachsenen Felsvorsprung gehalten hatte, in Wirklichkeit
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