Vogel-Scheuche
Prinzessin! Wie gern hätte ich mit dir ein Stelldic h ein, wärest du wach. So aber muß ich dich unberührt lassen, denn ich bin ja ein Geschöpf von Ehre.«
Er setzte sich neben sie und beobachtete ihren gleichmäßigen, woge n den Atem. Sehr beeindruckend. Und dann, ganz plötzlich, war alles wie ausgelöscht.
Prinzessin Nada Naga erwachte überrascht. Gerade hatte sie sich noch in der hübschen Höhle, die sie sich mit Jenny Elfe teilte, zur Ruhe beg e ben, da wachte sie auch schon in einem merkwürdigen, fremden Zimmer auf.
»Huch!« kreischte sie auf. Neben ihr lag ja ein nackter Mann!
Hastig sprang sie auf die Beine und machte dabei die Entdeckung, daß sie selbst unbekleidet war. Sie suchte nach der Tür, konnte aber keine finden. Ebensowenig ein Fenster. Nur mattes Licht, das von weit oben langsam zu Boden sickerte. Sie befand sich ja auf dem Boden eines Brunnens!
Nada versuchte Schlangengestalt anzunehmen, doch das gelang ihr nicht. Da probierte sie es mit der Naga-Gestalt, was ebensowenig klap p te. Irgend etwas unterband hier ihre natürliche Begabung für Gestal t wandlung. Sie begriff, daß sie wahrscheinlich einem Zauber erlegen war und sich erst teilweise daraus hatte lösen können, so daß sie jetzt zwar nicht mehr schlief, dafür aber ihre anderen besonderen Fähigkeiten nicht nutzen konnte.
Und diesem fremden Mann mußte es ganz ähnlich ergangen sein. Sie nahm auf dem weichen Bett Platz, das den Boden des Brunnens ausfül l te, und musterte den Mann etwas genauer. Ein gutaussehendes Tier, markige Züge und muskulöser Körper. Und als sie noch genauer hinsah, entdeckte sie eine kleine goldene Krone auf seinem Haupt. Das war ja ein Prinz!
»Ich wünschte, ich hätte dich früher kennengelernt«, murmelte sie a n erkennend. »Ich suche schon so lange nach einem geeigneten Prinzen, daß ich die Jahre nicht mehr zählen mag. Aber wahrscheinlich bist du in Wirklichkeit ganz widerlich wie die meisten Männer, wenn sie wach sind.« Sie begutachtete ihn noch eindringlicher. »Außerdem siehst du aus, als wärst du ungefähr dreiundzwanzig Jahre alt. Zu jung für mich, denn ich bin schon sechsundzwanzig.«
Sie grübelte und überlegte und dachte nach, und schließlich beschloß sie, es einfach zu versuchen und den attraktiven Fremden aufzuwecken. Sie sprach ihn an, erhielt aber keine Antwort. Sie schüttelte ihn an der Schulter, doch er rührte sich nicht. Schließlich versuchte sie es mit ihrer ultimativen Geheimwaffe: Sie begab sich auf alle viere, preßte den Mund auf seinen und küßte ihn. Doch es nützte nichts. Er schlief einfach we i ter. Das war das erste Mal, daß ihr so etwas widerfahren war: Mit ihrem Kuß konnte sie normalerweise selbst Tote noch zum Leben erwecken. Jedenfalls beinahe. Vielleicht hatte der Zauber ja auch diese Fähigkeit beeinträchtigt.
Sie seufzte. Unfähig, zu fliehen oder den Mann zu welken, würde sie abwarten müssen, was geschah. Und so legte sie sich neben ihm nieder, nahm seine Hand in ihre, um mitzubekommen, falls er sich rührte, und war plötzlich wieder eingeschlafen.
»Soviel zum Schönheitswettbewerb«, bemerkte Metria. »So richtig heiß ist ja wohl keiner der beiden geworden.« Sie spähte gerade durch den transparenten Wolkenstoff des Gefängnisturms. Oder genauer, in den großen magischen Spiegel, der ihr den fernen Turm so zeigte, als b e stünde er aus Glas.
»Es sind eben beides anständige Leute«, meinte Jenny Elfe. »Von Nada weiß ich das jedenfalls. Ich finde, dein Plan ist ziemlich verrückt.«
»Die beiden müssen verheiratet werden«, warf König Nabob ein. »G e nau darum geht es. Das hier ist nur die erste Stufe.«
»Ich glaube dennoch nicht, daß es funktionieren wird«, meinte Jenny. Doch Sammy Kater, der in ihren Armen ruhte, sah nachdenklich drein.
Die beiden Gefangenen im Brunnen erwachten gleichzeitig. »Oh!« mac h te Nada und versuchte ihre Gestalt zu verwandeln, denn es war u n schicklich, sich unbekleidet in Menschengestalt neben einem fremden Mann aufzuhalten.
Doch es wollte ihr immer noch nicht gelingen. Also warf sie ihr Haar über den Oberkörper, was ihn weitgehend bedeckte, obwohl manches darauf bestand, vorwitzig herauszulugen.
»Du bist ja wach!« bemerkte Vore, der ebenso erschrocken wirkte wie sie.
»Du auch«, erwiderte sie, nicht ganz unvernünftig. Gleichzeitig ließ sie hastig seine Hand fahren.
Vore sah sich erst um, dann blickte er an seinem nackten Körper he r ab. Er versuchte, Kleidung um
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