Vogelwild
wieder hatte es gute, praktische Gründe dafür
gegeben, alles lieber beim Alten zu lassen. Eine Variante, mit der Morgenstern,
seines Zeichens Herr des Hauses, prima hatte leben können. Aber dieses Mal, das
spürte er ganz deutlich, war es etwas anderes. Die Jungs waren inzwischen älter
geworden. »Und hast du schon eine Idee, was du arbeiten könntest?«, ging er
deshalb in die Offensive.
»Es muss ja nichts Tolles und Großes sein, vielleicht
Olivenverkäuferin auf dem Wochenmarkt oder so. Auf jeden Fall muss es dafür
Geld geben. In die Ehrenamtsfalle werde ich nicht hineintappen. Da hängen schon
viel zu viele Frauen drin, die dann für den Pfarrer das Gemeindeblatt austragen
oder fürs Schulfest zehn Torten backen.«
Genau so kannte Morgenstern seine Fiona. Und wenn er
ehrlich war, dann liebte er sie gerade deswegen: wegen ihres Sturkopfs und
ihres Hangs zu klaren Worten, mit denen sie sich in schöner Regelmäßigkeit in
die Klemme zu bringen pflegte. Da waren sie sich einfach ähnlich. Er gab sich
einen Ruck und blickte Fiona ernst an, bevor er – wenn auch etwas zu feierlich
und gönnerhaft – sagte: »Was immer du tun willst, tu es. Du hast meine volle
Unterstützung. Und wenn’s dir weiterhilft, lerne ich sogar noch, richtig zu
kochen.«
»Danke, dann werde ich mir das mal ernsthaft durch den
Kopf gehen lassen«, sagte Fiona erleichtert. »Und eins verspreche ich dir: Bis
zum Herbst bin ich wieder im Sattel.« Sie schenkte die beiden Weingläser fast
bis zum Rand voll und stieß mit Morgenstern an: »Auf die Zukunft in Eichstätt.«
»Auf die Zukunft.«
SIEBEN
Am Montagmorgen traf Morgenstern wie gewohnt
kurz nach halb neun in Ingolstadt ein. Im Polizeipräsidium hatten sich die
Kollegen bereits im Besprechungszimmer versammelt, vor jedem stand eine
dampfende Kaffeetasse. Abteilungsleiter Adam Schneidt wartete noch, bis auch
Mike Morgenstern Platz genommen hatte – mit einem braunen Henkelbecher, den ein
Bild des »Schönen Brunnens« in Nürnberg zierte, die offizielle Sammlertasse des
letzten Christkindlesmarktes, die für drei Euro Pfand in den Besitz des
Oberkommissars übergegangen war und ihm hier in Ingolstadt gelegentlich
spöttische Bemerkungen einbrachte. So auch jetzt.
»Na, der Herr Morgenstern startet die Woche wohl
gleich mit einem zünftigen Becher Heidelbeerglühwein, was?«, zog ihn Schneidt
humorig auf, wobei Albert Reigl und Peter Hecht ihr breitestes Grinsen
aufsetzten.
»Wer im Glashaus sitzt, soll lieber Tomaten züchten«,
antwortete Morgenstern gelassen, denn Reigls Tasse war ein Werbegeschenk der
Polizeigewerkschaft, auf der in einem grünen Strahlenkranz heldenhaft die
Abkürzung »GdP« erstrahlte. Hecht hingegen bevorzugte einen rosafarbenen Pott,
auf dem ein Clownsgesicht aufgemalt war und dessen gestalterischer Höhepunkt
eine sich aus dem Steingut wölbende Knubbelnase darstellte. Die Tasse kam
Morgenstern irgendwie bekannt vor. Ach ja, genau die gleiche hatte er vor
langer Zeit selbst als Blutspendegeschenk mit nach Hause gebracht. Fiona hatte
guten Geschmack bewiesen, indem sie sie sofort im Mülleimer versenkte. Bei der
Nasentasse handelte es sich anscheinend um einen Evergreen aus »Rudis
Reste-Rampe«.
»Meine Herren, was machen wir jetzt im Fall
Wintershof?«, fragte Adam Schneidt nach kurzem Räuspern, das wohl die
Ernsthaftigkeit der Sache betonen sollte, in die kleine Runde. »Von der
Gerichtsmedizin haben wir Hinweise bekommen, dass der türkische Arbeiter
bereits verletzt oder sogar tot gewesen ist, bevor er unter den Steinen
begraben wurde. Im Moment ist das jedoch nur eine Hypothese. Morgenstern wird
der Sache nachgehen.«
Der Oberkommissar nickte zustimmend. »Und wer wird
mein Partner?«, fragte er.
Schneidt schaute in die Runde: »Reigl, Hecht? Wer von
Ihnen beiden macht mit? Ich würde sagen, einer reicht fürs Erste.«
»Ich habe den ganzen Schreibtisch voll mit dieser
Überfallserie auf Tankstellen«, winkte Reigl ab. »Wenn’s recht ist: Das reicht
mir.«
»Also, Herr Hecht, dann steigen Sie bei Morgenstern
mit ein, okay?«
Hechts Begeisterung hielt sich in Grenzen. »Und wenn
es doch nur ein Unfall war? Hagedorn hat doch bereits öfter falschgelegen.«
»Genau das sollen Sie beide ja klären«, schnitt
Schneidt ihm das Wort ab. »Wir wollen nur sichergehen, das ist alles. Und wenn
es tatsächlich nur ein tragischer Arbeitsunfall war, umso besser für uns.« Dann
wandte er sich Morgenstern zu: »Haben Sie schon etwas
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