Vogelwild
Das hat doch riesigen Spaß gemacht. Stimmt’s
nicht, Papa?«
»Doch, doch«, brummte Morgenstern und griff nach einem
Stück öliger Schinkenpizza. Die Situation überrollte ihn völlig. Das sollte
also der gemütliche Feierabend sein, den er sich so herbeigesehnt hatte?
»Nun freu dich doch wenigstens mir zuliebe ein bisschen«,
strahlte ihn Fiona an.
»Tu ich ja!«
»Wir waren uns doch einig, dass ich nicht die ganze
Zeit zu Hause sitzen werde, weil mir sonst noch die Decke auf den Kopf fällt.«
»Aber dass das jetzt so schnell geht, das musste doch
nicht sein.«
»Himmel, bist du unflexibel! Manchmal kommst du mir
vor wie ein richtig alter Mann. Als ich dich geheiratet habe, warst du noch
viel spontaner, falls du dich daran überhaupt noch erinnern kannst.«
O weh: Morgenstern wusste, dass er diese Schlacht
schon unter normalen Umständen nicht gewinnen konnte, und schon gar nicht, wenn
seine beiden Söhne auch noch hinter Fiona standen. Bastian und Marius waren vom
künftigen Aushilfsjob ihrer Mutter sichtbar begeistert, so viel stand fest.
»Haltet ihr nur alle zusammen«, beschwerte sich der
Oberkommissar. »Na gut, von mir aus: Dann fährst du halt Schiffe in der Gegend
spazieren. Beschwer dich aber hinterher nicht, wenn du Bandscheibenprobleme
bekommst.«
»Das lass mal ruhig meine Sorge sein. Außerdem bin ich
beim Verleih nicht allein, die anderen werden mir schon helfen. Und wenn ich
mich eingearbeitet habe, soll ich auch ein bisschen Buchhaltung machen und
nebenbei Souvenirs verkaufen.«
»Und wie viele Stunden sind da für dich vorgesehen?
Das hört sich ja nach einem Vollzeitjob an«, argwöhnte Morgenstern.
»Ist es aber nicht, das wird alles recht lässig
gehandhabt, glaube ich. Aber du darfst natürlich nicht mehr davon ausgehen,
dass ich automatisch jeden Abend mit einem wunderbaren warmen Essen auf dich
warte.«
»Natürlich nicht«, brummte Morgenstern. »Und die
Jungs, was ist mit denen?«
»Ach, Papa, wir kommen schon zurecht«, meldete sich
Bastian. »Wir sind doch keine Babys mehr, und wenn uns daheim langweilig wird,
gehen wir eben einfach runter zu Mama zum Kanuverleih. Da ist immer was los, und
andere Kinder sind da auch.«
»Na, das habt ihr ja schon alles prima ausgetüftelt.
Dann braucht ihr mich ja gar nicht mehr«, muffelte Morgenstern.
»Ein bisschen brauchen wir dich schon«, lenkte Fiona
lächelnd ein. »Mir wäre beispielsweise sehr daran gelegen, wenn du dich mit
meinem neuen Job anfreunden könntest. Bitte, Mike, gib dir einen Ruck. Du bist
doch kein alter Chauvi, der vor so einer Entscheidung erst seinen Steuerberater
fragen muss.«
Morgenstern schluckte: Fiona kannte ihn einfach zu
gut. Eben war ihm als letztes Totschlagargument noch eingefallen, dass die
Einnahmen aus solchen Minijobs von verheirateten Frauen im Grunde die Steuer
auffraß. Das hatte er irgendwo gelesen und abgespeichert.
»Was verdienst du bei diesen Bootsfritzen überhaupt?«
»Wir haben uns auf zwölf Euro die Stunde geeinigt.«
»Gar nicht mal so übel.« Mit einer gewaltigen
Kraftanstrengung legte Morgenstern seinen inneren Hebel im Kopf um. Er
entschied, sich nicht länger querzulegen, was bei Fiona und ihrem Dickschädel
ohnehin aussichtslos war.
Bedächtig füllte er sein leeres Weinglas nach, Fiona
hatte ihres vor Aufregung noch gar nicht angerührt. Als er den Kindern Limonade
nachschenkte, fühlte er sich schon wieder ganz als Familienoberhaupt. »Ich
finde, darauf sollten wir anstoßen.« Aber wie so oft, wenn es besonders
feierlich sein soll, ging auch dieser Moment gänzlich schief. Als Bastian und
Marius kichernd ihre Limogläser zusammenstießen, fiel Bastians Glas zu Boden
und zersplitterte in hundert Scherben. Morgenstern wollte schon fürchterlich zu
zetern beginnen, dann riss er sich zum zweiten Mal an diesem Abend zusammen,
murmelte ein »Scherben bringen Glück« und eilte ohne Aufforderung in die Küche,
um Schaufel und Besen zu holen.
Fiona strahlte. Jetzt stand auch für sie fest, dass
ihr Mann bereit war, ihr künftig, wie man so schön sagt, den Rücken
freizuhalten.
ACHT
Am nächsten Vormittag war Adam Schneidt bei
der Lagebesprechung mit Morgenstern und Hecht deutlich freundlicher aufgelegt
als am Vortag. In einem bürokratischen Kraftakt hatte Peter Hecht die
wesentlichen Ergebnisse der Wintershofer Informations-Haussammlung auf dem
Computer zusammengetippt, sodass sie ihrem Chef einen vierseitigen Ausdruck
vorlegen konnten, der ihren bienengleichen
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