Vogelwild
Arbeitseifer schwarz auf weiß dokumentierte.
Schneidt studierte die Blätter sorgfältig und klopfte
sich anschließend selbst auf die Schulter. Genau genommen hielt er seinen
rechten Zeigefinger an die Nase und sagte: »Na, da habe ich doch wieder einmal
den richtigen Riecher gehabt, das müssen selbst Sie mir zugestehen, was, meine
Herren?«
Morgenstern und Hecht nickten pflichtschuldig.
»Habe ich mir doch gedacht, dass in diesen Dörfern auf
der Jurahöhe nichts unbeobachtet geschieht. Jetzt müssen wir dringend
herausfinden, was es mit dem Radfahrer auf sich hat.«
»Aber der Aufwand war schon beträchtlich«, wollte
Morgenstern nicht unerwähnt lassen.
»Papperlapapp. Der Zweck heiligt die Mittel, sage ich
immer, lieber Herr Morgenstern. Und von meinen Kommissaren erwarte ich, dass
sie auch bereitwillig an Haustüren klopfen. Ich weiß natürlich, dass alle am
liebsten immer nur vom Büro aus am Telefon oder – noch schlimmer – im Internet
recherchieren würden, aber«, er hob wieder oberlehrerhaft seinen Zeigefinger,
»aber wir müssen raus zu den Leuten, dahin, wo das Leben spielt. Sonst schmoren
wir nur noch in unserem eigenen Saft, und hinterher ist der Jammer groß, wenn
unsere Ermittlungen im Sande verlaufen.«
Morgenstern dachte an die Rentnerin Rosa Aurich, an
den Kebab-Laden im Eichstätter Gewerbegebiet und an den geplanten Besuch im
Jura-Museum. Mein Gott, sie waren doch die ganze Zeit ›draußen‹, wie ihr Chef
es nannte. Aber wenn er ins Grundsätzliche kam, dann schien es nicht ratsam,
sich ihm in den Weg zu stellen. So viel hatte Morgenstern schon gelernt.
Außerdem war Schneidt ja grundsätzlich zufrieden mit ihrer Arbeit.
Wie besprochen schlug Morgenstern vor, den
Mountainbiker per Pressemitteilung zu suchen, und der getreue Hecht zog im
gleichen Moment einen fertig formulierten Aufruf aus seiner mitgebrachten
Aktenmappe.
»Ja, so sollten wir das machen«, freute sich Schneidt,
als er das Papier durchgelesen hatte. »Die Meldung behalte ich gleich hier.«
Sprach’s, zückte einen Rollschreiber und setzte mit grüner Cheftinte sein
Autogramm darunter. »Mal sehen, ob dieser Radfahrer kalte Füße bekommt, wenn er
das in der Zeitung liest«, sagte er gespannt. »Einen Versuch ist es auf jeden
Fall wert. Aber Sie beide«, und dabei fixierte er wieder Morgenstern und Hecht,
»Sie beide dürfen in der Zwischenzeit natürlich nicht Däumchen drehen und
warten, bis sich dieser Unbekannte endlich ans Telefon begibt. Sie wissen ja,
dass die Öffentlichkeit nicht beliebig lange vertröstet werden kann. Wir
brauchen zügig Ergebnisse. Also Tempo, Tempo, meine Herren. Und was ist
eigentlich mit diesem Arbeiter, der Schulden bei unserem Toten hatte?«
»Ali Akatoblu?« Morgenstern glänzte mit seinem
ansonsten wenig ausgeprägten Namensgedächtnis. »Keine Sorge, der steht schon
noch auf unserer Liste. Nur wissen wir leider momentan nicht, wo er steckt.«
»Ich verlasse mich darauf, dass Sie ihn finden«, sagte
Schneidt.
Morgenstern nahm das als Aufmunterung und
unterbreitete seinem Chef einen Vorschlag: »Ich habe beim Frühstück in der
Zeitung gelesen, dass das Jura-Museum heute eine öffentliche Führung anbietet.
Da könnte ich teilnehmen, sozusagen inkognito, um ein bisschen mehr über
Fossilien zu erfahren. Leider bin ich bisher auf dem Gebiet ein völliger Laie.«
Das Frühstück an diesem Morgen war, Morgenstern
erinnerte sich mit Unbehagen daran, eher ungemütlich gewesen. Fiona hatte sich
vor lauter Vorfreude auf ihren Dienstantritt beim Kanuverleih weder um Kaffee
noch um Brötchen gekümmert, sondern ihren Mann in die Pflicht genommen. Selbst
die Pausenbrote für die Jungs hatte er heute eigenhändig schmieren müssen. Fiona
war anscheinend wild entschlossen, ihrem Hausfrauendasein ein abruptes Ende zu
bereiten, und hatte angekündigt, von nun an müssten eben alle anpacken, auch
wenn die morgendliche Zeitungslektüre dabei etwas ins Hintertreffen geraten
würde. Bei Letzterem hatte sie Mike mit einem scharfem Blick bedacht.
»Wann wäre denn diese Führung?«, erkundigte sich
Schneidt.
»Um drei Uhr nachmittags.«
»Na gut, von mir aus«, willigte der Direktionsleiter
ein, »ein bisschen Allgemeinbildung hat noch niemandem geschadet.«
Mannhaft steckte Morgenstern diese Spitze gegen ihn
weg und wagte sogar einen weiteren Vorstoß. »Könnte ich da wohl meine zwei
Söhne mitnehmen? Obwohl es während der Dienstzeit ist?«
»Wie alt sind die beiden denn?«
»Sieben und
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