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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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her.«
    Morgenstern horchte auf. »Sprüche? Was waren das für
Sprüche, die der Alte da geklopft hat? Wissen Sie das noch?«
    »Nicht genau, nein. Aber manchmal hat er gesagt …
Nein, das war alles bloß ein Schmarrn.«
    »Nur zu, ich möchte diesen Schmarrn gerne hören«,
forderte Morgenstern ihn auf. »Was hat er erzählt?«
    »Nun ja, dass er eines Tages oben in seinem Steinbruch
eine wertvolle Versteinerung gefunden hat.«
    Morgenstern erstarrte wie vom Blitz getroffen. Die
feinen Haare auf seinen Unterarmen stellten sich auf, und ihm wurde flau im
Magen. »Eine Versteinerung!«, wiederholte er nach ein paar Sekunden der Stille.
»Ich wette hundert Euro, dass diese Versteinerung ein Archaeopteryx war. Mein
Gott, ich werd noch wahnsinnig, alles, was ich in den letzten Tagen anfasse,
hat irgendwie mit diesem verdammten Urvogel zu tun.« Er taxierte den
Mörnsheimer Bürgermeister. »Es war doch ein Urvogel, nicht wahr?«
    »Bitte nehmen Sie das jetzt nicht als verlässliche
Aussage, Herr Kommissar«, bat das Gemeindeoberhaupt, »das war bloß ein Gerücht
hier im Dorf. Jemand hat erzählt, dass er gehört habe, dass Xaver gesagt hätte,
so in der Art.«
    »Gibt es zu diesem Gerücht vielleicht auch noch eine
Fortsetzung? Vielleicht eine Vermutung, wo diese Versteinerung abgeblieben sein
könnte?«
    »Nun ja, es heißt, der damalige geistliche Rat, der
Herr Pfarrer, habe dem Xaver den Urvogel abgeschwatzt. Das muss aber schon in
den fünfziger Jahren gewesen sein.«
    »Wieso denn der Pfarrer? Was will ein Kirchenmann mit
so einem Archaeopteryx anfangen?«
    »Er wollte ihn ja nicht für sich, sondern für das
Priesterseminar in Eichstätt unten. Die haben dort eine riesige
Fossiliensammlung.«
    Der Eichstätter Polizeichef Huber bestätigte das.
»Stimmt, Mike, aber das kannst du noch nicht wissen. Das Priesterseminar hat
schon immer Versteinerungen gesammelt, schon vor hundert Jahren. Aber frag mich
nicht, warum.«
    »Dann wäre dieser Urvogel jetzt also in Eichstätt«,
schlussfolgerte Morgenstern. »Aber warum hat man von diesem Stück und von
seinem stolzen Finder nie etwas gehört? Oder hängt der Vogel längst irgendwo
anders auf der Welt in einem Museum?«
    Der Bürgermeister kratzte sich hinterm Ohr: »Nein,
ganz sicher nicht. Ich erwähnte ja schon, dass der Xaver ein ziemlich
schwieriger Typ war, der hat dem Geistlichen Rat den Urvogel nur als Leihgabe
und unter strengen Auflagen überlassen. Ich habe gehört, dass man das Exemplar
nirgendwo öffentlich ausstellen durfte. Komisch, finden Sie nicht?«
    »Dann liegt es also irgendwo in Eichstätt herum und
verstaubt?« Morgenstern war fassungslos.
    »So wird es wohl sein«, sagte der Bürgermeister
lakonisch. »Im Jura-Museum hängt der Vogel jedenfalls nicht.«
    »Was hat denn jetzt wieder das Jura-Museum damit zu
tun?«
    »Sehr viel«, mischte sich Inspektionsleiter Huber
erneut ein und spielte nun seine ganze Ortskenntnis aus. »Das Priesterseminar
beschloss eines Tages, dass seine Fossiliensammlung der Öffentlichkeit gezeigt
werden sollte, und richtete dafür das Jura-Museum auf der Willibaldsburg ein.
Das Museum gehört dem Priesterseminar, der Kirche. So einfach ist das.«
    »So einfach ist das«, wiederholte Morgenstern
ausdruckslos. »Ein Haus für die Ausbildung von Pfarrern besitzt eine
weltberühmte Fossiliensammlung.«
    »Sie haben es erfasst. Zwar haben sie da oben auf der
Burg einen Archaeopteryx, aber das ist nicht das Exemplar vom Xaver.«
    »Was heißt das nun für unsere Tote? Warum wird hier in
Mörnsheim die Tochter von Xaver Messmer ermordet?«, grübelte Morgenstern leise.
Laut sagte er: »Ich werde mich noch ein bisschen im Haus umsehen.«
    Er stieg die schmale, steile Holztreppe in den ersten
Stock hoch, Hecht und Huber folgten. Als Geländer diente ein Seil, das vor
Ewigkeiten provisorisch an der Wand entlanggespannt worden war. Oben gingen von
einem schmalen, dunklen Gang drei Türen zu verschiedenen Kammern ab. Die
hinterste stand offen und führte zu Carola Messmers Schlafzimmer. Zielstrebig
trat Morgenstern ein. »Aua«, brüllte er plötzlich und presste sich die Hand
gegen die Stirn. Er hatte vergessen, wie niedrig solche alten Türen waren, und
sich mit voller Wucht am Türstock den Kopf angeschlagen. Für eine Sekunde wurde
dem Oberkommissar schwarz vor Augen, dann fing er sich wieder.
    Carola Messmers Zimmer bestand aus nicht mehr als
einem hölzernen Bett, einem klobigen Schrank und einem Nachtkästchen. Alles

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