Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
aufgehoben hatte, den McGrath jedoch nicht sehen konnte.
»Hörst du etwas?«, wollte er wissen.
De Albor bedeutete ihm, sich nach vorne zu beugen, so als wolle er ihm etwas ins Ohr flüstern. Überrascht beugte McGrath sich zu ihm vor – und obwohl er das verräterische Vorhaben des Afrikaners erahnte, war es bereits zu spät. Der Stein in De Albors Hand krachte mit unerträglicher Härte auf die Schläfe des weißen Mannes nieder. McGrath sank wie ein geschlachteter Ochse zu Boden, und De Albor eilte über den Pfad davon und verschwand wie ein Geist in der Finsternis.
5. Die Stimme von Zemba
Endlich konnte sich McGrath, der in der Dunkelheit auf dem Waldweg lag, wieder bewegen. Benommen und schwankend stand er auf. Dieser verzweifelte Schlag hätte vielleicht den Schädel eines Mannes gespalten, der nicht die Körperkraft und den Lebenswillen eines Bullen besaß. McGrath dröhnte der Kopf und an seiner Schläfe klebte getrocknetes Blut; aber vor allem verspürte er Zorn darüber, dass er John De Albors Niedertracht erneut zum Opfer gefallen war. Und dennoch – wie hätte er diesen Schlag erahnen können? Er wusste, dass De Albor ihn töten würde, wenn er die Möglichkeit dazu hatte, aber vor Constances Rettung hatte er nicht mit einem Angriff gerechnet. Dieser Kerl war ebenso gefährlich und unberechenbar wie eine Kobra. War sein Flehen, Constance retten zu dürfen, nur ein Trick gewesen, um dem sicheren Tod durch McGraths Hand zu entkommen?
Ihm wurde schwindelig, als er zu den Sternen hinaufblickte, die zwischen den schwarzen Ästen aufleuchteten. Er seufzte erleichtert, als er sah, dass der Mond noch nicht aufgegangen war. Die Kiefernwälder dieser Gegend waren so finster wie nirgendwo sonst, und die Dunkelheit war beinahe greifbar, so als könne man sie mit einem Messer zerschneiden.
McGrath hatte guten Grund, für seine robuste Konstitution dankbar zu sein. John De Albor hatte ihn am heutigen Tag bereits zweimal überlistet, und zweimal hatte der weiße Mann den Angriff dank seines stählernen Körpers überlebt. Seine Pistole steckte im Halfter, sein Messer in der Scheide. De Albor hatte sich nicht die Mühe gemacht, danach zu suchen und sich auch nicht mit einem zweiten Schlag aufgehalten – nur um sicherzugehen. Möglicherweise lag ein Hauch von Panik im Verhalten des Afrikaners.
Wie dem auch sei, es veränderte die Dinge nicht entscheidend. Er nahm an, dass De Albor einen Versuch unternehmen würde, das Mädchen zu befreien. Und McGrath hatte die Absicht, bei diesem Versuch anwesend zu sein, sei es, um einen Alleingang zu wagen oder um dem Mulatten zu Hilfe zu eilen. Dies war nicht der Zeitpunkt, seinem Hass nachzugeben, denn das Leben des Mädchens stand auf dem Spiel. Angespornt von einem Leuchten, das nun im Osten aufging, tastete er sich den Pfad entlang.
Schon bald erreichte er die Lichtung. Noch hing der Mond blutrot über den niedrigen Ästen, hoch genug, um die Lichtung und die schwarze Menschenmenge zu erhellen, die in einem großen Halbkreis auf dem Boden hockte. Alle starrten wie gebannt auf den Mond. Sie saßen im Schatten, in ihren rollenden Augen lag ein milchiger Glanz, und ihre Gesichter waren zu grotesken Masken verzerrt. Niemand sprach. Niemand drehte den Kopf zu den Büschen um, in denen er sich versteckte.
Er hatte lodernde Feuer erwartet, einen blutbefleckten Altar, Trommeln und den Gesang von wahnsinnigen Teufelsanbetern, denn so sahen Voodoo-Zeremonien aus. Aber dies war kein Voodoo, und zwischen den beiden Kulten klaffte ein tiefer Graben. Hier gab es keine Feuer und keinen Altar. Die Luft entwich zischend durch seine zusammengebissenen Zähne. In einem weit entfernten Land hatte er einst vergebens nach den Ritualen von Zambebwei gesucht; nun konnte er sie endlich beobachten, nur vierzig Meilen von dem Ort entfernt, an dem er geboren war.
In der Mitte der Lichtung erhob sich ein kleines flaches Brettergerüst. Darauf stand ein schwerer, mit Eisen beschlagener Pfosten – der angespitzte Stamm einer mächtigen Kiefer, der tief im Boden steckte. An dem Stamm war etwas Lebendiges festgekettet – etwas, bei dessen Anblick McGrath vor ungläubigem Entsetzen die Luft wegblieb.
Er sah einen Gott von Zambebwei. Zahllose Geschichten erzählten von diesen Kreaturen, wilde Legenden, die aus den Grenzregionen des verbotenen Landes stammten, wo zitternde Eingeborene sie im Schein der Dschungelfeuer erzählten, bis die Überlieferungen irgendwann auch an die Ohren skeptischer
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