Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Neandertaler seine Pranke nach A-æa aus. Sie wich zurück, und er sprang auf sie zu. Er trieb sie in die Enge, doch sie schlüpfte unter seinem Arm hindurch und hechtete davon. Er stand noch immer zwischen ihr und dem Höhlenausgang.
Falls sie nicht an ihm vorbeikam, würde er sie in eine Ecke drängen und packen. Also tat sie so, als springe sie in eine Richtung. Der Neandertaler folgte ihrer Bewegung, und flink wie eine Katze sprang sie in die andere Richtung und schoss an ihm vorbei in die Schlucht hinaus.
Brüllend setzte er ihr nach. Ein Stein kam unter ihrem Fuß ins Rollen, sodass sie der Länge nach hinschlug. Bevor sie aufstehen konnte, umklammerte seine Pranke schon ihre Schulter. Als er sie wieder in die Höhle schleppte, schrie sie wild und panisch, ohne Hoffnung auf Rettung.
Ga-nor hörte den Schrei, als er in die Schlucht hinablief. Er näherte sich der Höhle rasch, aber vorsichtig. Als er hineinschaute, bot sich ihm ein Anblick blinder Wut. Im verschwommenen Höhlenlicht stand der große Neandertaler, grässlich, haarig, blutverschmiert, die Schweinsäuglein auf seinen neuen Feind gerichtet, während zu seinen Füßen ihr weicher weißer Körper lag, das lange Haar im Griff seiner blutigen Pranke: A-æa.
Der Neandertaler brüllte, ließ seine Gefangene los und griff an. Und Ga-nor stellte sich ihm, ohne jedoch seiner brutalen Gewalt mit seiner geringeren Kraft zu begegnen, sondern indem er zurücksprang, von dem Höhleneingang weg. Sein Speer zuckte vor, und das Monster brüllte auf, als er seinen Arm durchbohrte.
Abermals sprang der Krieger zurück, schüttelte den Speer und ging in die Hocke. Wieder eilte der Neandertaler heran, und ein weiteres Mal sprang der Krieger zurück und stieß zu, diesmal mitten in die große behaarte Brust. Und so kämpften sie, Flinkheit und Intelligenz gegen brutale Gewalt und Raserei.
Einmal packte der große, herumschnellende Arm des Monsters Ga-nor an der Schulter und schleuderte ihn ein Dutzend Schritte weit fort, sodass sein eigener Arm für eine Weile fast nutzlos war. Der Neandertaler sprang hinterher, doch Ga-nor warf sich zur Seite und rappelte sich schnell auf. Wieder und wieder stach sein Speer zu, doch das schien das Monster nur noch wütender zu machen.
Dann hatte der Krieger, ehe er sich versah, die Wand der Schlucht im Rücken. Er vernahm A-æas Warnschrei, als das Monster heranstürmte. Der Speer wurde ihm aus der Hand gerissen, und Ga-nor fand sich im Griff seines Feindes wieder. Die großen Arme umschlangen seinen Nacken, seine Schultern, die großen Reißzähne suchten nach seiner Kehle. Er rammte den Ellenbogen unter das fliehende Kinn seines Gegners und schlug mit der freien Hand immer wieder auf die grässliche Fratze ein – Hiebe, die einen gewöhnlichen Menschen gefällt hätten, doch die der viehische Neandertaler nicht einmal zu spüren schien.
Ga-nor jedoch spürte, wie er das Bewusstsein verlor. Die schrecklichen Arme zermalmten ihn und drohten ihm das Genick zu brechen. Über die Schulter seines Feindes hinweg sah er, wie das Mädchen sich mit einem großen Stein näherte, und versuchte sie zurückzuwinken.
Unter größten Mühen griff er über den Arm des Monsters hinweg nach unten und ertastete seine Axt. Aber sie umklammerten einander so fest, dass er sie nicht heben konnte. Der Neandertaler wollte seinen Gegner zermalmen, wie man einen Zweig zerbricht. Aber Ga-nor stemmte den Ellenbogen unter dessen Kinn, und je mehr der Neandertaler presste, desto fester trieb er den Ellenbogen gegen die behaarte Kehle. Schließlich begriff der Neandertaler, dass er so nicht weiterkam, und schleuderte Ga-nor von sich.
Jetzt zog der Krieger seine Axt, schlug mit der blinden Wut der Verzweiflung zu und spaltete den Kopf des Monsters.
Einen Moment lang stand Ga-nor schwankend über seinem Gegner, dann spürte er eine weiche Gestalt in seinen Armen und sah ein hübsches Gesicht dicht vor seinem.
»Ga-nor!«, wisperte A-æa, und Ga-nor umschlang das Mädchen.
»Wofür ich gekämpft habe, das will ich auch behalten«, sagte er.
Und so geschah es, dass das Mädchen, das in den Armen eines Entführers in den Wald verschleppt worden war, in den Armen eines Geliebten und Gemahls heimkehrte.
Die Traumschlange
Die Nacht war seltsam still. Während wir auf der breiten Veranda saßen und über die weiten, schattigen Weiden blickten, drang diese Stille bis in unser Innerstes vor, und für eine ganze Weile sprach niemand ein Wort.
Nach einiger Zeit
Weitere Kostenlose Bücher