Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
versicherte mir, dass er keinen Schaden davongetragen hatte, und erklärte den Angriff damit, dass er für den Hund ein Fremder war.
Während er sprach, hörte ich im oberen Stock plötzlich wieder das Trappeln der Hufe, und ich erschrak, da das Geräusch viel lauter war als zuvor, wenn auch seltsam gedämpft. Es klang, als würde ein einjähriges Fohlen über Teppichboden gehen. Meine Neugier war groß, und ich konnte mich nur sehr schwer zurückhalten, um nicht nach der Ursache zu fragen, doch da dies anmaßend gewesen wäre und ich erkannte, dass Mr. Stark Ruhe und Erholung brauchte, verabschiedete ich mich, sobald er sich besser fühlte.
Etwa eine Woche später trug sich der erste der unheimlichen, rätselhaften Vorfälle zu. Wieder handelte es sich um ein unerklärbares Verschwinden, doch dieses Mal ging es nicht um eine Katze oder einen Hund – sondern um ein dreijähriges Kind, das noch kurz vor Sonnenuntergang in der Nähe des heimischen Gartens beim Spielen gesehen worden war. Es verschwand spurlos, kein Mensch hatte jedoch irgendetwas Verdächtiges beobachtet. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass das Geschehen die gesamte Stadt in Aufruhr versetzte. Einige hatten das Verschwinden der Tiere mit der schieren Bösartigkeit des Täters erklärt, und der jüngste Vorfall deutete zweifellos darauf hin, dass hinter den Taten eine wirklich teuflische Person stand.
Die Polizei durchkämmte die ganze Stadt und die gesamte Umgebung, doch sie fand keinerlei Spur des vermissten Kindes – und innerhalb der nächsten zwei Wochen verschwanden an unterschiedlichen Orten der Stadt vier weitere Kinder. Die Eltern erhielten weder Briefe von Entführern, in denen Lösegeld gefordert wurde, noch gab es Anzeichen dafür, dass Feinde hier böswillig Rache verübten. Die Opfer wurden einfach von einer gähnenden Stille verschlungen, die undurchdringlich war. Vergeblich setzten die verzweifelten Bürger ihre Hoffnung auf die Zivilbehörden, die jedoch bereits alles getan hatten, was in ihrer Macht stand, und ebenso ratlos waren wie die Öffentlichkeit.
Man dachte darüber nach, den Gouverneur um die Entsendung von Soldaten zu bitten, die in der Stadt patrouillieren sollten; viele Männer gingen nur noch bewaffnet aus dem Haus und kehrten schon lange vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu ihren Familien zurück. Finstere Gerüchte, dass übernatürliche Kräfte am Werk seien, machten flüsternd die Runde, und viele sprachen von unheimlichen Vorahnungen, da es keinem Sterblichen möglich sein konnte, Kinder zu stehlen und dabei so lange unverdächtig und unerkannt zu bleiben. Hinter dem Verschwinden der Kinder lag jedoch kein unerklärliches Geheimnis. Es war schlicht und einfach unmöglich, jede Ecke einer so großen Stadt zu bewachen und jederzeit ein Auge auf jedes einzelne Kind zu haben. Trotz elterlicher Warnungen und Anordnungen hielten sie sich weiterhin in einsamen Parks auf und spielten auch nach Sonnenuntergang noch im Freien, sodass die Dunkelheit bereits hereinbrach, wenn sie nach Hause liefen. Es musste kein jenseitiger Entführer sein, der in Parks oder auf Spielplätzen in den Schatten der Bäume lauerte, um sich ein Kind zu schnappen, das ein Stück hinter seine Kameraden zurückgefallen war. Selbst auf einsamen Straßen oder in dunklen Gassen konnte ein solches Verbrechen unbemerkt geschehen. Der Schrecken lag weniger in der Art, wie die Kinder gestohlen wurden, als eher in der Tatsache, dass sie gestohlen wurden. Hinter den Taten schien weder ein wahnsinniges noch nachvollziehbares Motiv zu stehen. Eine Atmosphäre der Angst hatte sich wie ein Tuch über die Stadt gebreitet, und durch dieses Tuch rollte eine Welle des Entsetzens und des Schreckens.
In einem der abgelegeneren Parks am Rande der Stadt wurde ein junges Paar, das dort intime Stunden der Zweisamkeit genießen wollte, von einem furchtbaren Schrei zu Tode erschreckt, der aus einem dunklen Wäldchen zu ihnen herüberdrang. Die beiden wagten nicht, sich zu bewegen, aber sie beobachteten, wie eine gedrungene, schattenhafte Gestalt erschien, die ganz zweifellos eine menschliche Leiche auf ihrem Rücken wegschleppte. Die grauenhafte Gestalt verschwand zwischen den Bäumen, und das Paar, vor Angst fast von Sinnen, raste mit dem Wagen in Richtung der hellen Lichter der Stadt zurück. Zitternd und völlig außer Atem erzählten sie dem Polizeichef, was sie beobachtet hatten, und innerhalb kürzester Zeit durchsuchten alle verfügbaren Kräfte den Park. Es
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