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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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ihnen keine Atempause gegönnt. Die Sakâs hatten ihre Angriffe fortgesetzt und sich auf den Osten ihrer Verteidigungsstellungen konzentriert, um die Straße einzunehmen, die an den Stadtmauern entlangführte. Es waren Nachrichten vom Großen Tor eingetroffen. Dort rührte sich noch nichts. Die beiden Armeen beschränkten sich darauf, sich zu beobachten. Gilas hatte gehofft, dass es auf ihrer Seite der Front auch so kommen würde. Ein kurzer Waffenstillstand hätte ihnen die Zeit gelassen, Atem zu schöpfen, ihre Männer neu aufzustellen und der feindlichen Strategie zuvorzukommen. Diese Chance hatten sie nicht bekommen.
    Und dennoch waren noch lange nicht alle Sakâs am Angriff beteiligt. Fünf- bis sechshundert von ihnen konzentrierten
sich auf die Straße und ermüdeten die Verteidiger, aber die anderen warteten hinter den Mauern und kleinen Häusern des Handelsfelds und schichteten riesige Feuerstellen auf, die sie noch nicht angezündet hatten. Die Feuerstellen beunruhigten Gilas nicht: Sicher war das nur eine neue Einschüchterungstaktik, um die Gegner in Panik zu versetzen, ganz wie die falschen Kreaturen der Abgründe. Was ihn beunruhigte, war die Zahl der Feinde. Denn vor ihnen kampierten schließlich zwei Armeen statt einer, und immer noch trafen weitere Sakâs ein, wie nach Westen gesandte Späher bestätigten.
    Einen Vorteil hatte diese Menge von Feinden: Sie bewies, dass Harrakin recht hatte. Die Sakâs wollten die Westmauern angreifen. Und in der Tat wären, wie Gilas mit einem leichten Schaudern begriff, die Nebentore wohl schon längst gefallen gewesen, wenn sie sich nicht dazwischengeworfen hätten. Wenn sie nicht die Richtung gewechselt hätten, wären die Sakâs jetzt bereits in der Stadt …
    Ich sollte erleichtert sein , dachte er, erleichtert, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Aber hauptsächlich hatte Gilas Angst. Sie waren so knapp der Katastrophe entgangen und hatten so viele Männer verloren. Der Feind war mindestens zweifach in der Überzahl. Richtige Entscheidungen allein würden vielleicht nicht ausreichen.
    Er kauerte sich neben Harrakin. Dieser öffnete sofort die Augen.
    »Gilas? Gibt es Probleme?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Harrakin setzte sich stirnrunzelnd auf. »Ein gewisser Amîn Eh Maharoud ist gerade hergekommen. Ein Nâla aus einem der großen Adelshäuser des Emirats.«

    »Sein Name sagt mir nichts.«
    »Er bringt eine Botschaft für Euch von einem gewissen Morales. Anscheinend hat dieser Morales Männer: achtzig Reiter und achthundert Fußsoldaten. Er will sich uns anschließen.«
    Harrakin starrte Gilas einen Moment lang stumm an, und Gilas fragte sich, ob der König von Harabec wirklich schon wach war - junge Leute schliefen manchmal tief -, aber Harrakin sagte schließlich: »Morales? Arekh es Morales?«
    »Ja. Den Namen hat er genannt.«
    Harrakin sprang auf und riss sein Kettenhemd an sich, das er mit seinem Waffenrock auf eine große Truhe geworfen hatte. »Das ist durchaus interessant«, sagte er mit dem Schatten eines Lächelns. »Ich dachte, Morales wäre tot. Wo hat er seine Männer her?«
    »Es sind Abtrünnige. Sie gehören zu denen, die Manaîns Herrschaft nicht anerkannt haben, und anscheinend erkennen sie auch den neuen Erben nicht an. Sie haben sich einen neuen Anführer gesucht, aber sie wollen gegen die Sakâs kämpfen. Also? Wer ist dieser Morales?«
    »Ein ehemaliger Ratgeber des Hofs von Harabec«, sagte Harrakin. »Und einer derjenigen, die die Verteidigung von Salmyra geleitet haben. Er hat den Palast wieder eingenommen, nachdem mein Bruder uns an die Männer des Emirs verraten hatte. Und dann …« Er unterbrach sich und sah den Offizier an. »Das ist eine lange Geschichte, Gilas, aber Ihr solltet wissen, dass er wegen Häresie verurteilt ist und dass Laosimba sich persönlich mit seinem Fall befasst hat. Ich dachte eigentlich, er hätte Selbstmord begangen.«

    »Dann ist er es vielleicht nicht«, sagte Gilas mit gerunzelter Stirn. »Vielleicht ist es eine Falle.«
    »Vielleicht«, erwiderte Harrakin. Er hatte sein Kettenhemd übergestreift, zog sein rotseidenes Wams darüber und begann es nachdenklich zuzuknöpfen. »Hat die Nachricht nicht noch etwas enthalten? Irgendetwas? Einen Satz oder eine persönliche Information, um mir zu gestatten, ihn zu erkennen?«
    »Vielleicht. Der Nâla sprach von den Bergen und den Hexenhunden des Inyas …«
    Harrakin zog die Augenbrauen hoch und lachte leise. »Er ist es! Wie viele Männer? Knapp

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