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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Truppen holen zu lassen, bevor er selbst direkt an die Front geeilt war. Nach Reynes zu reisen wie geplant wäre unnötig und vielleicht gar gefährlich gewesen. Banh hatte ihm einen Brief geschrieben, um ihm vom Scheitern der Verhandlungen und von Arekhs und Lionors Selbstmord zu berichten.
    Die beiden Gefangenen hatten das Beste aus ihrer Lage gemacht - es war immer noch besser, mit zerschmetterten Knochen am Fuße eines Turms zu sterben, als noch einige Wochen länger gefoltert zu werden, um die Seelenleser zu ergötzen. Doch ihr Schicksal hatte Harrakin nicht gerade Lust darauf gemacht, auch nur in die Nähe der Kerker des Ratsgebäudes zu geraten. Laosimba hätte es vielleicht nicht gewagt, ihn verhaften zu lassen - nicht sofort, nicht ohne Unterstützer und Anklagepunkte -, aber in jedem Fall zog es der König von Harabec vor, fern der Priester und ihrer Foltergeräte zu sein und viertausend loyale Soldaten unter seinem Kommando zu haben.
    Viertausend Mann , dachte er und schenkte Laosimba sein strahlendstes Lächeln.
    Laosimba lächelte zurück - etwas zu ironisch, um Harrakin völlig zufriedenzustellen.
    Gilas entrollte eine Karte, und sie beugten sich alle darüber, um ihre Verteidigungsstrategie in Augenschein zu nehmen.
     
    Am Nachmittag ritten Harrakin und Laosimba auf Patrouille.
    Laosimba hatte diesen Ausritt angeregt, offiziell, um sich zu überzeugen, dass das zwei Meilen westlich gelegene Dorf Briel evakuiert worden war. Das war erst vor kurzem geschehen: Der kleine Spähtrupp, der aus Harrakin,
dem Hohepriester, fünfzehn Reitern aus Harabec und acht Priestern bestand, war Scharen von Bauern begegnet, die Karren vor sich hergeschoben hatten, ganzen Familien mit ihrem Gepäck, ihren Möbeln und ihrem Vieh, die ins Innere der Fürstentümer flohen. Es hatte keine Verwundeten gegeben - die Sakâs waren noch nicht durchgezogen, aber ihr Ruf eilte ihnen voraus.
    Die Gesichter der Flüchtlinge waren mager und angespannt. Der Handel war zurückgegangen; eine Hungersnot drohte.
    Sie hatten Angst.
    Diese abgezehrten, dahineilenden Männer, Frauen und Kinder waren nicht Harrakins Volk - und dennoch hatte sein Herz sich zusammengezogen, als er sie gesehen hatte. Auch Familien aus Harabec würden sich vielleicht bald auf den Landstraßen drängen und nach Süden fliehen. Harrakin stellte sich vor, wie sein Palast niederbrannte - die Zimmer mit ihren geschnitzten Holzvertäfelungen, in denen er seine Kindheit verbracht hatte, die mit Teppichen geschmückten Galerien, die Gärten, die Gemälde, das Bett in den königlichen Gemächern, in dem er so oft mit Marikani geschlafen hatte - und seitdem mit vielen anderen Frauen. Sein Palast in Flammen. Seine Bauern, die schreiend von ihren Höfen flüchteten, während ihre Ernten verbrannten. Jahrtausende der Anstrengungen, der Kultur, der Schönheit, zu Asche geworden … Wie würde er darauf reagieren? Ich würde lieber sterben, als das zu sehen , dachte Harrakin wild entschlossen. Er würde auf dem Schlachtfeld fallen, bevor auch nur ein Sakâs die Grenze von Harabec überschritt. Er und sein Heer würden eher bis zum letzten Mann kämpfen, als eine solche Blasphemie mit anzusehen. Und was, wenn er dennoch,
wie Manaîn, nicht starb, wenn er aus der Ferne von der Zerstörung seines Landes erfuhr? Würde er dann wie Manaîn reagieren, mit dem gleichen Wahnsinn, dem gleichen selbstmörderischen Wunsch nach Vergeltung?
    Ganz gewiss.
    Harrakin fühlte sich einen kurzen Moment lang brüderlich mit Laosimba verbunden. Ganz gleich, welche Fehler der Hohepriester auch hatte, er musste um sein Land fürchten und erschauern, wenn er diese Flüchtlinge sah.
    Die Karren wurden immer seltener, und bald waren die Reiter allein auf verlassenen Pfaden unterwegs. Der kleine Trupp ritt schweigend weiter den steilen Weg hinauf, der nach Briel führte.
    Das Dorf war leer. Die Häuser waren unversehrt. Grüne Bäume ragten dicht an dicht in den blauen Himmel auf, und frische Radspuren kreuzten die Straße. Blumentöpfe und Vorhänge zierten noch immer die Fenster. Ein altes, zurückgelassenes Maultier weidete auf einem Hof Unkraut ab.
    Laosimba ließ sie noch ein wenig weiter vordringen, bis auf eine staubige Straße, die an einem großen Anwesen vorbeiführte.
    Dann wandte er sich Harrakin zu. »Haltet an.«
    Das war keine Bitte, sondern ein Befehl. Harrakin zügelte sein Pferd und sah den Hohepriester erstaunt an.
    Dann stieg er langsam ab; er war auf der Hut.
    Hinter ihnen hatten die

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