Volk der Verbannten
der Mann. »Aber leider sind Mas Dravecs Dienste teuer, und er bietet sie nicht jedem hergelaufenen Kerl an. Ich glaube kaum, dass er sich für Euch interessiert.«
»Aber wir sind … wir brauchen ihn wirklich«, sagte Lionor, bevor Arekh ihr bedeuten konnte zu schweigen.
Lionors Angst und ihr leicht flehender Tonfall ließen die Augen des Mannes vor Belustigung funkeln. »Ich verstehe, meine Schöne, ich verstehe. Glücklicherweise habt Ihr den Richtigen getroffen: Ich kann mich für Euch verwenden. Ich habe auch so ein kleines Kerlchen wie Ihr«, fuhr er fort und wies mit dem Kopf auf das Kind. »Ich
kann das nachempfinden. Gebt mir fünfzig Res in neuen Münzen, und ich setze mich bei Mas Dravec für Euch ein. Gebt mir das Geld jetzt und kommt morgen zur selben Zeit mit dem Kleinen wieder, dann werde ich Euch sagen, wie die Verhandlungen verlaufen sind.«
Arekhs Ohrfeige war so heftig, dass der Mann samt seinem Stuhl gegen die Wand des Ladens geschleudert wurde. Der Mann verlor das Gleichgewicht, brach sich den Wangenknochen und riss sich Wangen und Lippen blutig. Er stieß einen heiseren, kurzen Schrei aus wie ein Tier, versuchte dann aufzustehen, öffnete den Mund, um zu rufen, und fand sich mit der geschärften Klinge eines Papiermessers mit dem Wappen von Reynes an der Halsschlagader wieder. Die Rückenlehne des Stuhls war gegen die Wand gekippt; Arekhs Knie drückte dem Mann die Brust und die Lunge zusammen und machte es ihm unmöglich zu atmen.
»Nur ein Schrei oder ein Wimmern, und ich schlitze dir den Hals auf wie einem Ochsen«, sagte Arekh mit gesenkter Stimme. »Es gibt andere Schleuser in der Stadt. Glaub mir, wir brauchen dich nicht unbedingt.« Das war eine Lüge, wie Lionor und er beide wussten. »Wo ist Mas Dravec?«
»Der bin ich«, brachte der Mann trotz des Gewichts heraus, das auf seiner Lunge lastete.
»Was für eine Überraschung. Kann ich Euch jetzt loslassen und die Verhandlung beginnen, oder werdet Ihr uns dann wieder für Dummköpfe halten?«
»Verhandlung«, stieß der Mann hervor.
Arekh ließ ihn los und trat zurück, das Papiermesser noch immer in der Hand. Mas Dravec brauchte einige Dutzend Herzschläge, um sich aus seinem Stuhl zu winden,
indem er sich an die Regale klammerte, die unter seinem Gewicht durchbogen. Mit seinem wütenden Blick und dem Blut, das ihm von den Lippen tropfte, erinnerte er an eine zornige Raubkatze, von der eine Art roher Kraft ausging.
»Staatssekretär Salazar schickt mich«, sagte Arekh kalt. »Er hat Euch persönlich als einen vertrauenswürdigen Mann empfohlen - und er wäre sehr enttäuscht, wenn Ihr Euch dieses Vertrauens nicht würdig erwieset, davon bin ich überzeugt.«
Das war eine Lüge … oder vielmehr die Wahrheit, die bereits vier Jahre alt war. Damals hatte Staatssekretär Salazar Arekh in der Tat Mas Dravec für den Fall empfohlen, dass Ratsherr Im-Ahr einen Schlepper für seine Spione brauchen sollte. Mas Dravec sei der erfolgreichste.
Natürlich erhielt Salazar - wie Arekh damals erfahren hatte - für jeden Kunden, den er schickte, eine Provision.
Mas Dravec wirkte nicht beeindruckt. Er war immer noch zornig, und seine Augen funkelten mordlüstern.
»Ich habe schon ganz andere als Euch kleingekriegt! Salazar deckt mich.«
Also arbeiteten Salazar und Dravec noch immer zusammen. Arekh ließ sich die Erleichterung, die er empfand, in keiner Weise anmerken. »Nur nicht, wenn diejenigen, die Ihr ›kleinkriegt‹, Freunde von ihm sind«, sagte er trocken. »Salazar deckt Euch, weil Ihr ihm nützlich seid; Ihr seid ihm nützlich, weil er Euch seine Verbündeten schicken kann. Wenn Ihr die betrügt oder tötet, ist es mit Eurer Nützlichkeit vorbei.«
»Lasst uns verhandeln«, sagte der Mann, immer noch in gleichermaßen wütendem Ton. Schierer Hass funkelte unter seinen gesenkten Lidern hervor. »Ich weiß nicht,
was Salazar Euch erzählt hat, aber die Preise haben sich geändert - sehr geändert. Die Zeiten auch. Im Krieg werden die Sicherheitsmaßnahmen vervielfacht. Ihr wollt hinaus? Tausend Res pro Person, das ist der Preis.«
Trotz dieses Schocks zuckte Lionor nicht mit der Wimper, und Arekh segnete sie im Stillen dafür. Sie wussten beide, welche Summe sie in der Tasche hatten: zweihundertfünfzig Res, die Arekh aus den Geldbeuteln seiner Opfer zusammengerafft hatte.
»Gut«, sagte Arekh mit einer wegwerfenden Gebärde, als ob ihm die Summe keine großen Sorgen machte. Er zog die Börse aus der Tasche und zählte das Geld
Weitere Kostenlose Bücher