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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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die zwölfte Stund' ablief,
    Muß ich ihn lausen, bis daß er schlief;
    Damals ist er wohl zu bekommen,
    Allein muß werden in Acht genommen,
    Daß man vor's erst nimmt sein'n Hut und Pfeifelein,
    Sonst bekommt ihr nicht das Vögelein.«
    Darauf wurd' er bald gefangen
    Und hat seinen rechten Lohn empfangen.
    Zur Gedächtniß im 1661sten Jahr
    Dieser Bogen vom Rathhaus herein verehret war.
     
     

 
II. Sagen und Mährchen aus Böhmen, Mähren, Ungarn und Oesterreich.
     
17. Libussa.
    Als Krokkus, der zweite heidnische Fürst der Böhmen, starb, hinterließ er keinen männlichen Erben, sondern drei Töchter, welche Zauberinnen und Wahrsagerinnen waren. Die älteste hieß Bela, oder, wie einige schreiben, Brela, welche das Schloß Brelum erbauet, die andere Tetcha oder Techa (auch Therba und Therbiza von einigen genannt), die jüngste aber Libussa. Tetcha soll noch das Schloß Thetin oder Diewin erbaut haben, sie, so wie ihre Schwester Bela, von dem vielen Gelde, welches sie durch Wahrsagen erwarben. Libussa war aber nicht allein viel geschwinder und erfahrner, als die anderen, sondern auch milder; denn sie forderte von niemand nichts und weissagete fürnehmlich, wie es dem Volke ergehen würde. Deshalb ward ihr auch, durch sonderliche Gunst des Volkes, das Regiment vertraut. Diesem stand sie etliche Jahre wohl vor und befestigte das Schloß Wischerad, ehe daß die Stadt Prag gebaut wurde. Als sie aber auf eine Zeit, der Billigkeit nach, einem Reichen, wider einen armen Mann, die Sache absprach, gab sie derselbe bei den Männern an und wendete daneben für, es wäre eine Schande, daß ein Weib über sie regieren solle, welches dann denen, so Lust zu Veränderungen hatten, eine angenehme Rede war. Dieselben kamen darauf auf das Schloß Libus, welches Libussa sich an dem Orte an der Elbe erbauet hatte, da jetzo Kolin ist, am 10ten Mai 722 zu ihr, worauf sie sich billig entschuldigte, doch dadurch nichts erhalten mochte und befürchtete, daß nicht irgend einer zum Regiment erfordert würde, der ihr wenig recht, so erhielt sie von den Unterthanen, daß mehr durch das Orakel und ihre Weissagung, denn durch menschliche Wahl, ein Fürst erwählt würde. Deswegen hieß sie sie alle am folgenden Tage wieder kommen, anzuhören, was für ein Fürst durch die Weissagung würde erwählt werden.
    Folgendes Tages kamen die Unterthanen auf die angesetzte Stunde zusammen und begehrten anzuhören, was sie für einen Regenten bekommen würden. Derowegen kam Libussa mit ihrem Frauenzimmer herfür und fragete sie, ob sie denn von ihrem Vornehmen nicht wollten ablassen? Nachdem sie aber auf demselben bestunden, sagte sie, daß Gott ihr einen Ehemann und ihnen, den Unterthanen, einen Regenten hätte gegeben, mit Namen Primislaus. Weil sie sich aber über beide, den Namen und Person, so ihnen ganz unbekannt, entsetzten, fragten sie Libussa, wo dieser Mann sich aufhielte? Libussa antwortete: es wäre zwar ein Inwohner und Bauersmann, doch sollten sie Gott billig danken, der ihnen einen Einwohner und nicht einen Ausländer zum Regenten gegeben, dazu auch das Regiment nicht einer hohen, sondern geringen Person aufgetragen und einer solchen, so durch das Loos könnte weissagen. Da sie nun denselben bald wollten ansichtig werden, sollten sie zum schleunigsten ihre Gesandten abfertigen und ihn als ihren Fürsten und Herrn annehmen und auf das Schloß Wischerad führen lassen.
    Deswegen erwählten sie zehn fürnehme Männer und als dieselben zu Libussa gebracht wurden, zeigte sie ihnen ihr schimmlicht Roß (Schimmel), so gesattelt und mit einer Decke bekleidet war, und befahl, daß die Abgesandten das Roß von sich selbst sollten gehen lassen, wohin es wollte, und sollten demselben nachfolgen und nicht davon weichen, bis sie zu einem Ackersmann kämen, so auf einem eisernen Tische äße. Und wenn sie ihn würden ansichtig werden, sollten sie ihn einen Fürsten heißen, ihm das königliche Prunkkleid und Schuh, welche sie ihnen zugleich mitgab, anziehen und ihn auf das Schloß Wischerad bringen.
    Als die Abgesandten solchen Befehl empfangen hatten, folgeten sie dem Rosse nach, im Jahre Christi 722 am eilften, oder, wie einige wollen, dreizehnten Mai, wo es hinging. Und indem es fast in die zehen Meilen Weges über Berg und Thal gangen, wendete es sich bei dem Wasser Belin oder Bile, bei einem Dorfe Stadiz, von der Straße, lief alsbald auf den Acker, der erst des meistentheils aufgerissen war, ging zu dem Ackersmann daselbst, mit Namen

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