Voll daneben
macht, weil ich dann mit etwas Schrecklichem in Verbindung gebracht werde. Oder ich kann so tun, als würde ich Petes Band toll finden, in der Hoffnung, dass mich mein schlechter Geschmack uncool wirken lässt. Ich wähle den schlechten Geschmack.
»Ja, ich hab sie schon gehört«, schwindle ich. »Supermusik. Ich liebe die Musik aus den Siebzigern. Sachen wie ABBA und Bowie ...« Mir fallen keine anderen Musiker aus den Siebzigern ein. »Und wie Bowie ... und ABBA.«
»Ist es echt eine Transvestitenband?«
Ich erinnere mich an das, was Mom mir erzählt hat, als sie von der Band schwärmte. »Nee«, sage ich. »Es ist eine Glam-Rock-Cover-Band, keine Transvestitenband.«
Alle starren mich verständnislos an, und deswegen bemühe ich mich, ihre Erklärung zu wiederholen.
»Eine Transvestitenband zieht sich Frauenkleider an, aber eine Glam-Rock-Band zieht sich bloß Glitzerklamotten an. Ihr wisst schon, durchgeknallte Sachen. Lederhosen. Paillettenjacken. Federboas. Geschlechterübergreifend. Manhattan-Nostalgie pur.«
Wieder starren mich alle an, und deswegen kämme ich mir mit den Händen durch die Haare, wie ich es immer mache, wenn sie zerzaust aussehen sollen. Es ist ein nervöser Tick von mir, aber dann fällt mir ein, dass ich ja gar nicht will, dass sie zerzaust aussehen, und drücke sie wieder platt.
»Das sind trotzdem lauter Schwuchteln«, murmelt eine Stimme gerade laut genug, um gehört zu werden. Spontan wundere ich mich, welcher Teenie immer noch so denkt, obwohl wir im einundzwanzigsten Jahrhundert leben. Aber dann wird es mir klar. Der Busfahrer starrt mich durch den Rückspiegel an. Er tut so, als hätte er die Bemerkung nicht gemacht, und gleichzeitig fordert er mich heraus, etwas dagegen zu sagen.
Ich spüre, wie mir das Blut zu Kopf steigt.
Keiner vergreift sich an Tante Pete.
»Es gibt wohl ein paar Leute, die sich über sie lustig machen«, sage ich laut, als würde ich immer noch mit dem Jungen reden, der die ursprüngliche Frage gestellt hat, »aber das ist ziemlich dumm. Schließlich ziehen sich alle Rock’n’roller abgefahrene Klamotten an. Mein Onkel ist härter im Nehmen als die meisten Männer in dieser Kleinstadt. Glaube ich jedenfalls.«
Das Mädchen mit dem Gothic-Make-up setzt sich auf und ballt die Hand zur Faust. »Yeah!«, ruft sie. Sie sieht mich an, als hätte sie plötzlich Respekt vor mir, und dann reicht sie mir cool eine Zigarette herüber, als seien wir jetzt Freunde. Das hätte sich gut anfühlen können, nur berührt die Zigarette kaum meine Hand, bevor der Bus auch schon mit quietschenden Reifen anhält.
Mist.
Der Busfahrer steht auf. »Rauchen ist im Bus verboten«, sagt er knurrend. »Ich will, dass du aussteigst.«
»Was? Ich habe doch gar nicht geraucht!«
»Raus!«
»Aber ich kenne den Weg zur Schule nicht.«
Jetzt grinst der Fahrer schadenfroh. »Ich habe dich gewarnt«, sagt er.
»Verstößt das nicht gegen die Vorschriften?«
Der Fahrer kommt ein paar Schritte näher und sieht mich zornig an. »Drohst du mir etwa?«, fragt er mit tiefer, leiser Stimme. »Denn wenn du mir drohst, wirst du noch merken, wozu ich fähig bin. Außerdem stehst du sowieso nicht auf meiner Liste.«
Ich bin vielleicht nicht unbedingt der schlauste Typ der Welt, aber ich weiß, wann ich lieber den Mund halten sollte. Also steige ich aus und bleibe am Straßenrand stehen. Der Bus fährt mit quietschenden Reifen ab, und mein perfekt gestyltes Äußeres wird in eine Staubwolke gehüllt.
Schlimmer hätte ich die Situation gar nicht vermasseln können.
20
» NICHT HIER ABBIEGEN! Fahr langsamer. Achtest du überhaupt auf die Straße?«
Ich bin vierzehn, und Mom, Dad und ich sind auf dem Weg zu ein paar Freunden meiner Mutter, die auf dem Land leben. Mom fährt, und ich sitze vorne auf dem Beifahrersitz, weil Mom zu Dad gesagt hat: »Ach, Allan, lass doch Liam vorne sitzen«, als er sich beim Einsteigen auf den Beifahrersitz setzen wollte.
Also hockt Dad auf dem Rücksitz und ist seitdem schlecht gelaunt. Aber Mom und ich amüsieren uns prächtig. Die Landstraßen sind leer, und meine Mutter fährt sehr schnell, und jedes Mal, wenn sie eine Kurve nimmt, kann sie sich vor Lachen kaum halten.
»Das ist so wie damals, als wir Mrs Arnauld das Abendkleid nach Tremont brachten und uns verspätet hatten, stimmt’s, Li? Kannst du dich noch an das wunderschöne Kleid erinnern?«
Das kann ich. Es war praktisch Haute Couture. Braunes Wildleder mit Pelzbesatz und extra für die
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