Voll daneben
Schaufensterpuppe.«
Wenn Dad mich hören könnte, würde er jetzt sagen: »Es sind nur Klamotten, Liam. Gut auszusehen rettet kein Leben«, aber Eddie steht trotzdem auf und betrachtet seine Schaufensterdekoration. Er fasst die Boxershorts an der Stelle an, an der sie Falten werfen. Dann streicht er eine Falte im Seidenslip glatt. Danach geht er hinaus, stellt sich vor sein Schaufenster und mustert die Dekoration von außen. Und schließlich kommt er wieder rein und wendet sich mir zu.
»Ich will dir die Wahrheit sagen«, erklärt er. »Ich habe mir diese schicken Schaufensterpuppen schon mal angesehen, aber sie sind sehr teuer. Lieber würde ich einen echten Menschen einstellen, der die Leute auf mein Geschäft aufmerksam macht – der etwas Leben in die Bude bringt –, aber ich weiß nicht, wo ich in dieser Stadt jemanden finden soll, dem es nichts ausmacht, sich in ein Schaufenster zu stellen.«
»Ja«, stimme ich ihm zu. »Es dürfte nicht leicht sein, den Richtigen zu finden ...«
Eddie grinst. »Es wäre zwar nur ein Mindestgehalt, und zusätzlich zum Modeln müsstest du noch ein paar Aufgaben im Laden übernehmen, aber ich könnte dich jeden Samstag für den ganzen Tag bezahlen. Du könntest gutes Geld dabei verdienen.«
Hat Eddie mir gerade einen Job angeboten?
Ich starre ihn mit offenem Mund an.
»Ich würde wahnsinnig gern für dich arbeiten«, stammle ich. »Ich werde auch wirklich hart arbeiten, das verspreche ich. Ich werde nichts vermasseln. Du wirst es nicht bereuen.«
Eddie lacht. »Darüber mache ich mir keine Sorgen«, sagt er. »Ich habe ein gutes Gefühl.«
Ich schwöre: Das ist das erste Mal, dass mir jemand etwas zutraut.
22
NIEMAND SOLLTE JEMALS EIN GUTES GEFÜHL HABEN, WENN DIE SACHE MIT MIR ZU TUN HAT.
Ein wachsames. Ein argwöhnisches. Vielleicht auch ein ängstliches. Aber kein gutes.
Alles fängt gut an. Aber das tut es ja meistens.
Eddie und ich überlegen uns alles Mögliche für die Schaufensterdekoration und beschließen, einen Testlauf zu machen. Ich probiere Boxershorts an, weil das wahrscheinlich das Gewagteste ist, das ich in einer Kleinstadt wie dieser bringen kann. Wenn es uns gelingt, eine Dekoration rund um die Boxershorts zu kreieren, dann können wir das Ganze wahrscheinlich erfolgreich durchziehen.
Es ist schwerer als es aussieht. Im Geschäft gibt es keine große Auswahl, aber dann finden wir im Lager einen alten Korbstuhl, den wir ins Schaufenster stellen. Ich nehme einen Herrenbademantel von der Stange.
»Der Flanellstoff hat ein hübsches rot-goldenes Muster, das einen Kontrast zu den roten Boxershorts bildet. Wenn ich den Mantel offen lasse, können die Leute immer noch die Shorts sehen, aber gleichzeitig sehen sie auch den Bademantel. Wir könnten die Bademäntel vorne drapieren, damit die Kunden sie schon beim Hereinkommen sehen.«
Eddie grinst. »Liam, du bist ein Genie«, schwärmt er. »Du bistein Einstein der Modewelt.« Er hängt die Shorts wieder auf ihre Bügel und kneift die Augen zusammen. »Aber eines muss ich unbedingt wissen«, sagt er. »Bist du schwul?«
Leider habe ich diese Frage schon oft gehört. »Nein«, antworte ich. »Definitiv nicht.«
Eddie legt mir die Hand auf den Arm. »Ich weiß, es ist ein Klischee«, sagt er, »aber ich musste es einfach wissen. Du machst das so ... so super! Und manchmal können Klischees ja auch zutreffen. Sieh mich an.« Theatralisch wirbelt er einmal um die eigene Achse, dann zwinkert er mir zu.
»Ja«, sage ich. »Aber ich bin nicht schwul. Ich mag bloß Mode. Und Mädchen.«
Eddie seufzt. »Ist okay«, sagt er. »Gut, dass du du selbst bist.« Ich erröte, als ich an meine grauenhafte Aufmachung denke, und fast hätte ich etwas gesagt, aber bevor ich den Mund aufmachen kann, redet Eddie weiter. »Ich bin sicher, du wirst irgendeine junge Dame sehr glücklich machen. Ein griechischer Gott und dazu noch ein Modeexperte? Ein besserer heterosexueller Mann als dich lässt sich nicht finden, Liam.« Er merkt, dass mein Gesicht knallrot geworden ist, und lacht. »Ich hole jetzt das Tischchen aus dem Hinterzimmer, damit wir es aufstellen können. Neben deinem Stuhl.«
Er geht, und ich denke über das nach, was er gerade gesagt hat. Ich wünschte, es wäre wahr. In meinem ganzen Leben hat mich noch niemand ein Genie genannt, und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es eine Menge heterosexueller Männer gibt, die besser sind als ich. Ich komme mir vor wie ein Heuchler.
Trotzdem fühlt es sich
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