Voll daneben
hättest, dann hätte ich dir das vorher sagen können.«
Ich wickle mir die Telefonschnur um die Finger, bis sie fast völlig abgeschnürt sind. Ich wage nicht zu atmen und warte darauf, was Dad als Nächstes sagen wird.
»Irgendwann wirst du eine Entscheidung treffen, aus der du dich nicht mehr herauswinden kannst«, sagt er. »Du bist egoistisch, unzuverlässig und verzogen, und wenn du dich nicht änderst, wird aus dir nichts werden. Hast du das verstanden?«
Ich nicke ins Telefon.
»Ich habe dich etwas gefragt.«
»Ja. Ich habe es verstanden.«
»Gut.«
Für einen Moment schweigt er.
»Liam«, sagt Dad schließlich mit ruhiger, kalter Stimme, »ich habe nicht vor zuzulassen, dass mein Bruder, der in seinem ganzen Leben noch nie etwas Vernünftiges getan hat, einen Schwulen aus dir macht, der in einer verdammten Wohnwagensiedlung mitten in der Pampa lebt. Du brauchst strenge Regeln. Basta. Und Pete kann dir das mit Sicherheit nicht geben. Noch ein Fehler, und du landest in Nevada.«
Voller Unbehagen winde ich mich und werfe Tante Pete einen Blick zu. Ich weiß zwar, dass er nicht hören konnte, was Dad gerade gesagt hat, aber meine Wangen brennen trotzdem vor Scham. Wie es aussieht, muss Dino ihn festhalten, damit er mir nicht den Hörer aus der Hand reißt.
Ich drehe mich wieder um. »Das wird nicht passieren.«
Dad räuspert sich laut.
»Ich weiß, dass ich es später bereuen werde«, sagt er schließlich, »und ich warne dich – wenn du in deinen Fächern durchfällst undwenn dein Onkel nicht endlich aufhört mich zu ärgern, indem er diese albernen Spielchen spielt ... Wenn ihm klar wird, dass es gar nicht so leicht ist, Vater zu sein ...«
Dad spricht den Rest seiner Drohung zwar nicht aus, aber ich nicke trotzdem.
»Ich habe verstanden«, sage ich. »Danke für ...« Eigentlich müsste ich mich jetzt bei Dad für irgendwas bedanken, da bin ich sicher, aber mir fällt nichts ein. »Danke für deinen Anruf«, sage ich schließlich.
Dad schnaubt verächtlich. Seine Antenne für Ausreden hat die hier im Nu aufgespürt, aber er hat die Schnauze voll von mir, also legt er nur noch auf. Für eine Sekunde mache ich die Augen zu und lege dann sachte den Hörer auf. Als ich die Augen wieder aufmache, steht Pete direkt neben mir.
»Was zum Teufel hat er gesagt?«, fragt er.
Ich zucke die Achseln. »Mein Schulberater hat ihn angerufen. Das hat ihm nicht gefallen.«
Pete kneift die Augen zusammen und sieht mich prüfend an. »Hat er dir das Hirn mit einem Haufen Schwachsinn zugemüllt?«, will er wissen. »Hat er dir gesagt, du wärst nicht gut genug oder nicht schlau genug ...«
Ich weiß zwar, dass Pete es nur gut meint, aber Dad hat bloß die Wahrheit gesagt.
»Es ist nicht weiter wichtig«, sage ich, und in diesem Moment lüge ich noch nicht mal. Es fühlt sich nicht wichtig an.
»Ich gehe ins Bett«, sage ich. »Danke, dass ihr mich ins Einkaufszentrum mitgenommen habt.«
Pete trommelt mit den Fingern auf die Küchentheke, und die Jungs werfen sich vielsagende Blicke zu.
»Liam –«, setzt Pete an, aber ich bin schon weg.
29
AM MONTAG BEKOMME ICH DIE CHANCE, meinen guten Ruf zu tilgen. Vielleicht meine letzte Chance. Ausgerüstet mit meinen neuen Klamotten gehe ich in die Schule wie Rocky, der sich auf den großen Kampf vorbereitet. Es gibt da nur ein Problem. Ich habe Dad erzählt, ich würde einer AG beitreten, und bisher ist mir keine eingefallen, die mich aufnehmen würde. Ich spiele kein Schach, debattiere nicht gerne, verstehe nichts von Politik und werde es mit Sicherheit nicht in die Ehrenverbindung der Schule schaffen.
Zum Glück findet sich bei Schulbeginn in meinem eigenen Klassenzimmer eine Lösung.
Als die Schulnachrichten anfangen, döse ich ein, und deswegen hätte ich beinahe verpasst, dass etwas schiefläuft. Als ich schließlich merke, dass die ganze Klasse vor Lachen brüllt, muss ich mich zu dem Typ neben mir beugen, um ihn zu fragen, was los ist.
Er schnaubt verächtlich. »Romer hat gerade sein Mikro fallenlassen und musste unter den Tisch kriechen, um es zu holen. Und dann hat die Kamera mit dem Zoom eine Großaufnahme von seinem Hintern gemacht. Was für ein Idiot!«
Trotz meines vernebelten Zustands spitze ich die Ohren.
»Wer ist eigentlich für die Schulnachrichten zuständig?«
Der Junge lacht. »Die Technikeridioten«, sagt er verächtlich. »Ich meine, die Nachrichten-AG.« Er knüllt ein Blatt Papier zusammen und zielt damit auf die Leinwand, während
Weitere Kostenlose Bücher