Voll erwischt
trocken bin, bemühe ich mich um andere Menschen. Wenigstens bei solchen Menschen, die ich mag. Wenn ich trinke, besteht meine einzige Anstrengung in der Bewegung meines Ellbogens.»
Jennie lächelte. «Meine Mutter war auch Alkoholikerin», sagte sie. «Nicht wie Sie. Sie hätte es niemals zugegeben. Und auf gewisse Weise hatte sie es unter Kontrolle. Solange ich mich erinnern kann, hat sie jeden Tag getrunken. Sogar an dem Tag, als sie starb.»
«So war ich auch mal», sagte Sam. «Aber ich kann es nicht kontrollieren, wenn ich trinke. Ich trinke, bis nichts mehr funktioniert. Ich trinke mich bewußtlos. Ich verliere die Kontrolle über alles. Werde zu einem flennenden Häufchen Elend.»
Der Kellner kehrte mit ihrer Bestellung zurück, stellte den Weißwein vor Sam und die Limonade vor Jennie. Sam schob ihr den Wein zu. «Wollen wir tauschen?» fragte er.
«Ja.» Sie nahm das Weinglas und gab ihm die Limonade. «Ich glaube, ich komme besser damit klar als Sie.»
Während des kurzen Schweigens, das dann folgte, wehte ein Gesprächsfetzen vom Nachbartisch zu ihnen herüber. Die Leute unterhielten sich über ein einheimisches Ehepaar, einen Waffenhändler und seine Frau, die tags zuvor ermordet worden waren.
Kapitel 18
An diesem Abend verließ Norman Janets Wohnung und kehrte zum Station Hotel zurück. Es war ein guter Deal, und er war zufrieden mit sich. Mit ihr zu schlafen war ein bißchen wie einen Jungen zu ficken. Erinnerte ihn an den Knast. Aber sie diente einem Zweck. Bei ihr zu wohnen würde sicherer sein als in einem Hotel. Und wenn die Zeit reif war, würde es überhaupt kein Problem sein, sich das Mädchen wieder vom Hals zu schaffen. Sie hatte keine Freunde, also würde auch kein Mensch sie vermissen. Vielleicht der Sicherheitsdienst von Woolworths; schon möglich, daß die sie vermissen würden. Diese Firmen, diese Kliniken, wie auch immer das hieß, wo mit Silikon Brüste vergrößert wurden; die würden sie vielleicht vermissen. Aber kein echter Mensch würde sie vermissen. Niemand in der wirklichen Welt.
Norman sah auf seinem Zimmer bis spät in die Nacht fern. Dann mußte er an Wischwusch denken. Er steckte seine Kanone ins Schulterhalfter und ging hinaus in die Nacht. Er folgte der Stadtmauer, bis er das Haus am Lord Mayor’s Walk erreichte. Das Haus war völlig dunkel, hinter keinem der Fenster brannte ein Licht. Norman beobachtete es von der grasbewachsenen Anhöhe auf der anderen Straßenseite. Sie würde jetzt dort drinnen sein. Sie würde im Bett liegen. Wahrscheinlich nackt, bei dieser Hitze. Wischwusch. Ahnungslos. Wußte nicht, was in diesem Augenblick ihr Fenster beobachtete.
Es gab zwei Möglichkeiten, diese Sache zu erledigen. Er konnte an die Haustür klopfen, warten, bis sie herunterkam, um aufzumachen, und sich dann einfach hineindrängen. Überraschung, Überraschung. Oder aber er konnte sich hinter das Haus schleichen, einbrechen, leise und vorsichtig, und sie dann immer noch schlafend im Bett überraschen. In ihr Ohr flüstern: «Aufwachen, Wisch wusch!» Ihr Gesicht beobachten, während ihr langsam dämmerte, was ihr bevorstand.
Wenn man mal genau drüber nachdenkt, gibt’s eigentlich gar keine Wahl. Schleich dich hinters Haus und brech ein.
Doch bevor Norman sich aufmachte, um die Straße zu überqueren, kamen sie um die Ecke. Wischwusch und ihr Freund. Händchenhaltend. Sie trug zur Jeans ein weißes T-Shirt und weiße; Schuhe, an ihrer freien Hand ließ sie eine Umhängetasche schwingen. Sie lachte. Und der Typ, der kam ihm auch irgendwie bekannt vor. Als sie noch näher kamen, sah Norman, wie gut bekannt ihm der Typ war. Es war Mr. Detective. Sam Turner, der Typ, den Norman engagiert hatte, um Schneewittchen zu finden.
Das war nicht richtig. Überhaupt nicht in Ordnung war das. Klar, Norman hatte Wischwusch aus Mr. Detectives Bürogebäude kommen sehen, aber im Traum hatte er nicht daran gedacht, daß es eine Beziehung zwischen den beiden gab. So wie die sich jetzt aneinander klammerten, sich betatschten und anhimmelten, hatten die hundertprozentig was miteinander. Er schaute zu, wie Wischwusch ihre Tasche öffnete und einen Hausschlüssel herausnahm. Dann ging sie hinein. Mr. Detective folgte ihr und machte hinter sich die Tür zu.
Norman veränderte seine Stellung auf dem Gras und bemerkte, daß die nächtliche Feuchtigkeit durch seine Hose gesickert war. Er dachte flüchtig daran, einfach rüberzugehen und sich beide vorzuknöpfen, doch er stand auf
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