Voll erwischt
etwa zur gleichen Zeit verschwunden, wie Norman nach Manchester aufgebrochen war. Janet erinnerte sich, sie noch zusammengerollt auf dem Sessel im Wohnzimmer gesehen zu haben, als Norman vom Friseur zurückkam. Dann hatte Norman sich die Cassetten herausgesucht, die er mitnehmen wollte, und war gefahren. Ob er wohl zurückkommen würde? Hatte er sie für immer verlassen? War er losgezogen, um sich eine Frau mit richtigen Brüsten zu suchen?
Danach war Janet ins Wohnzimmer gegangen und hatte sich in den Sessel fallen lassen, in dem Tabitha sich zusammengerollt hatte. Sie bemerkte, daß Tabitha nicht da war. Es fiel ihr sofort auf, weil Janet nach Normans Aufbruch zwanzig Minuten dort gesessen und geweint hatte. Venus war da. Auf dem anderen Sessel. Und Orchid kam herein, als Janet zu weinen begann, und blieb die ganze Zeit bei ihr. Orchid besaß ein Herz. Aber Tabitha hatte auch ein Herz, und sie tauchte nicht auf. In diesem Augenblick hatte Janet das merkwürdig gefunden, aber seither war Tabitha immer noch nicht aufgetaucht, und das war überhaupt nicht ihre Art.
Janet dachte daran, daß Norman im Grunde keine ihrer Katzen mochte, also konnte sie sich nicht vorstellen, daß er tatsächlich mit Tabitha verduftet war, falls er für immer gegangen war. Und wenn er nicht für immer gegangen war, sondern tatsächlich geschäftlich nach Manchester gefahren war, wie er behauptet hatte, dann hätte er Tabitha bestimmt nicht mitgenommen, damit er Gesellschaft hatte. Zumindest nicht, ohne es ihr zu sagen. Andererseits bestand noch die Möglichkeit, daß Tabitha versehentlich in Normans Wagen eingesperrt worden sein könnte.
Eine ziemlich weit hergeholte Möglichkeit. Nicht besonders wahrscheinlich. Als Tabitha am nächsten Morgen auch nicht zum Frühstück auftauchte, wurde diese unwahrscheinliche Erklärung jedoch diejenige, auf die sich Janet versteifte. Sie sagte zu Orchid und Vernus: «Wißt ihr, was Tabitha gemacht hat? Sie hat sich einen kleinen Ausflug nach Manchester erschlichen, das hat sie gemacht. Das dumme kleine Ding hat sich im Kofferraum von Normans Wagen einsperren lassen, vielleicht ja auch auf dem Rücksitz. Jedenfalls egal, wo sie jetzt auch immer ist, sie hat die lange Reise nach Manchester gemacht, und wahrscheinlich ohne was zu essen. Norman hat keine Ahnung, womit er sie füttern sollte. Sie wird hungrig sein, wenn sie zurückkommt. Geschieht ihr recht.»
Janet besaß etwas Geld, das Norman ihr dagelassen hatte. Einen Zwanzigpfundschein. Sie legte eine Nachricht für Norman auf den Küchentisch, falls er schon früher zurückkam, und ging mit dem Geld in die Stadt. Von Monkgate bis Bootham Bar schlenderte sie an der Stadtmauer entlang und sah sich die schönen Gärten der Häuser in der Nähe des Münsters an. Stellte sich vor, daß sie und Norman in einem dieser Häuser wohnten, mit diesen riesigen Rasenflächen und den uralten Bäumen. Für die Katzen wär’s das reinste Paradies.
Sie ging ins Arts Centre und bestellte sich ein Mittagessen. Einen Käsesalat, das kostete nur zwei Pfund zwanzig, und es war fast mehr, als man essen konnte. Janet gefiel es nicht im Arts Centre, weil es so dunkel war, und draußen schien die Sonne. Auch die Leute, die dort aßen, waren irgendwie komisch. Sie zogen sich an, als hätten sie kein Geld, trugen Klamotten aus Secondhandläden, abgelegte Kleidungsstücke, aber redeten, als hätten sie jede Menge Geld. Sie redeten vornehm. Das verstand sie einfach nicht. Es verdarb ihr den Appetit. Aber es gab dort vegetarische Küche, und es kostete auch nicht die Welt, also ging sie dorthin, sooft sie es sich leisten konnte. Besonders lange blieb sie allerdings nie. Aß das Essen und flüchtete dann so schnell wie möglich. Lieber hätte sie das Essen im Arts Centre gekauft und es mit zum Museum Gardens genommen und dort draußen im Gras gegessen. Aber sie konnte sich kaum vorstellen, daß die Leute aus der Cafeteria des Arts Centre es besonders gut fanden, wenn ihr Geschirr so weit weg mitgenommen wurde.
Woher sollten die außerdem auch wissen, daß Janet es zurückbringen würde? Sie könnte ja durchaus ein Dieb sein. Aber Janet wußte, daß sie es zurückbringen würde. Sie würde keinen Teller stehlen.
Im Museum Gardens, als Janet gerade einem Pfau zuschaute, der radschlagend vor einer Touristengruppe balzte, bemerkte sie den Jungen zum erstenmal. Er versuchte sich den Anschein zu geben, als gehöre er zu der Gruppe, aber in Wahrheit beobachtete er sie. Er war kein
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