Voll gebissen
immer näher.
Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, hob ich vo rsichtig eine Hand nach oben, ballte eine Faust, holte soweit ich konnte aus und ließ sie auf Kyles Nase krachen. Und wenn ich sagte krachen, meinte ich krachen. Das Geräusch, was Kyles Nase beim Aufprall meiner Hand von sich gab, ging mir durch Mark und Bein und hörte sich an, als hätte man ein paar Zweige entzwei getreten.
„Auuuu!!!!“, j aulte Kyle los und hielt sich seine Nase, während er durch die Gegend hüpfte, als würde er auf heißen Herdplatten stehen. Ich sah, wie Blut auf sein Hemd tropfte. Oh mein Gott! Was hatte ich da getan?
„Kyle?“, sprach ich ihn an, doch ich traute mich nicht wirklich, näher an ihn heranzugehen. „Kyle, nimm mal die Hand weg.“
Ich hatte nicht erwartet, dass Kyle meiner Aufforderung Folge leisten würde, doch er sah mich nur erschrocken an, als er die Hand wegnahm.
„Ach du liebes bisschen“, entfuhr es mir. Seine Nase hatte sich bereits leuchtend lila verfärbt, hatte nun die Größe und Form einer dicken Kartoffel, so angeschwollen war sie und Blut schoss sturzbachartig aus beiden Nasenlöchern.
„Was ist?“, fragte mich Kyle, als er in mein entsetztes Gesicht blickte. Wortlos zog ich ihn am Arm von der Brücke hinunter, vor das nächste Schaufenster. Als Nicht-Tussi konnte ich leider nicht mit einem Handtaschenspiegel dienen. Er begutachtete sich in der Scheibe und betastete behutsam seine Nase.
„Kyle, ich…“, stotterte ich los, doch Kyle ließ mich nicht ausreden.
„Du Miststück hast mir meine Nase gebrochen!“, schrie er fassungslos und ich zuckte unfreiwillig zusammen.
Ich hatte Kyle schon oft sauer erlebt, doch das hier war eine ganz neue Dimension davon.
„Kyle, es tut mir …“, doch weitersprechen konnte ich nicht, da hatte Kyle mich bereits am Hals gepackt und zwar so fest, dass ich Mühe hatte, überhaupt noch Luft zu bekommen. Wie ein Welpe winselnd versuchte ich krampfhaft seine Hand von meinem Hals zu lösen, kratzte ihn, versuchte seine Finger zu öffnen, doch Kyles Griff war eben typisch Kyle.
Ich dachte wieder an meine ursprüngliche Definition von Gyle-Kyle. Dass er sich einfach mit G-Worten am besten beschreiben ließ und schlagartig schoss mir das Wort „Granit-Griff“ in den Kopf. Sollte ich das hier überleben , würde ich dieses Wort in meine Sammlung aufnehmen.
„Du kleine Schlampe , dir werd ich schon noch Manieren beibringen“, drohte Kyle weiter, während ich das Gefühl hatte, dass seine Hand immer fester zudrückte.
Ich japste nach Luft und dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen, da hörte ich Liams Stimme.
„Lass sie los, sonst …“, forderte er ohne viele Umschweife. Ich blinzelte und entdeckte Liam hinter Kyle, lässig gegen ein Schaufenster gelehnt. Wie war er dorthin gekommen?
„Was sonst ?“, antworte Kyle in einem herausfordernden Ton.
Wäre ich in diesem Fall nicht die Leidtragende gewesen und ginge es hier nicht grade um meine Luftröhre, die diesem Hardcore-Belastungstest standhalten musste, hätte das alles ziemlich interessant werden können.
„Tu es“, befahl Liam erneut.
Kyle ließ mich los und ich glitt zu Boden, wie einer dieser grünen Slimi-Klumpen, die man auf dem Jahrmarkt kaufen konnte. Die, die man als Kind immer gegen die Wand warf, wo sie hässliche graue Fettflecken hinterließen (sehr zum Ärger jeder Mutter), während man darauf wartete, dass sie langsam heruntertropften.
Ich betastete meinen Hals. Ich wusste nicht, was ich gedacht hatte vorzufinden, doch angesichts Kyles unmenschlicher Kraft vermutlich wenigstens ein paar Vertiefungen seiner Finger.
Kyle jedoch schien jetzt jemand Neues gefunden zu haben, an dem er seine Wut auslassen konnte.
„Was willst du überhaupt hier? Ihr seid nicht mehr z usammen“, fuhr Kyle Liam an, doch dieser stand immer noch seelenruhig an die Schaufensterscheibe gelehnt und entgegnete mit einer stoischen Ruhe, die man sonst nur bei Schafen fand (der Wolf im Schafspelz, hihi), als wenn es das selbstverständlichste auf der Welt wäre: „Emma gehört mir. Und das weißt du auch.“
Zuerst wollte ich mich darüber beschweren. Ich gehörte schließlich gar keinem. Aber in Anbetracht der Situation wollte ich Liam ungern vergraulen. Nicht, dass er mich mit dem wahnsinnigen (warum fängt dieses Wort eigentlich nicht mit G an?!) Kyle wieder allein ließ.
„Dir?“, höhnte Kyle, doch plötzlich schien er unsicher zu werden. „Habt ihr euch etwa gepaart?“,
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