Voll gebissen
küssen. Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da ärgerte ich mich schon wieder darüber. Wer sagte eigentlich, dass ich überhaupt noch daran interessiert war, Liam küssen zu wollen?!
„Schlaf noch e twas, Schatz. Danach geht’s dir besser.“
Ich nickte zaghaft. Meine Mutter stand auf und öffnete vor dem rausgehen noch das Fenster. Fragend hob ich eine Augenbraue.
„Sorry, Emma, aber selbst in einer Stinktierhöhle riechtʼs besser. Bei diesem Gestank kannst du unmöglich wieder einen klaren Kopf bekommen.“ Sie sah mich kurz an. „Ich nehme an, du hattest dir versehentlich was bestellt, wo Alkohol drin war … Stimmtʼs?“
Ich grinste schuldbewusst. „Stimmt“, log ich und wusste, dass sie das etwas heikle Thema Alkoholgenuss von Minderjährigen damit auf sich beruhen lassen würde.
„Und ein bisschen Pupsgeruch scheint auch noch dabei zu sein.“ Sie kicherte schelmisch.
Sehr witzig! Ich reagierte gar nicht darauf und ließ mich wieder in das Land der Träume gleiten. Ich wusste, dass ich während des Schlafens nicht pupste. Wusste ich das? Ich hoffte es zumindest. Aber um ehrlich zu sein, war mir selbst DAS momentan piepegal.
Spät am Abend wachte ich dann erneut auf. Wie erholsam, mal nicht von Urwaldgetrommel gegen Türen geweckt zu werden. Leise schlich ich die Treppe hinunter. Ich hatte einen Bärenhunger! Und Durst! Oh ja, vor allem Durst!
Glücklicherweise hatte meine Mom mir noch etwas vom Abendessen aufgehoben. Begierig schaufelte ich die Portion in mich rein, trank dazu eine ganze Flasche Wasser und ging wieder hinauf. Ich putzte mir noch die Zähne, um die Maus aus meinem Mund zu vertreiben und legte mich wieder hin.
Morgen für die Schule dürfte ich wieder halbwegs fit sein. Doch ich hatte eindeutig was gelernt: Nie wieder! Und damit meinte ich: NIE WIEDER würde ich auch nur ein Schlückchen Alkohol trinken. Das war echt zuviel des Guten. Unvorstellbar, dass viele aus meiner Klasse sich am laufenden Band volllaufen ließen.
11.
Die Wochen verstrichen und ich sah und hörte nichts mehr von Liam. Das k onnte doch wohl nicht wahr sein! Welcher Mensch konnte so lange krank sein? Dass die Lehrer nichts dazu sagten?
Wenn Liam heute immer noch nicht kam, würde ich Mr Morrison fragen. Eigentlich hatte ich ihn erfolgreich missachtet, seit jenem Desaster, als Liam neu in meine Klasse gekommen war. Damals hatte er mir im Unterricht meinen Zettel abgenommen und quasi meine heimlichen Hochzeitspläne mit Liam laut vor der Klasse vorgetragen. Das war so peinlich! Aber unter den aktuellen Umständen müsste ich wohl eine Ausnahme machen.
Wie erwartet tauchte Liam nicht auf. Der Unterricht ve rlief wieder elendig langsam, doch nachdem auch endlich die letzte Stunde vorbei war, sprang ich auf und hechtete zum Lehrerpult.
Nicht, dass Mr Morrison mir noch entwischte. Lehrer hatten nämlich unangenehme Eigenschaften. Sie tauchten plötzlich lautlos auf, wenn sie es nicht sollten, konnten aber auch genauso schnell wieder unbemerkt verschwinden.
„ Mr Morrison? Ich hätte mal eine Frage.“
Er schien genervt zu sein, dass ich jetzt noch was von ihm wollte, wo er doch schon seit zwei Minuten Feierabend hatte, doch ich ließ mich nicht abwimmeln.
„Okay , Emma, schieß los. Machʼs aber kurz, ich habʼs eilig.“
„ Ich wollte mich erkundigen, was mit Liam los ist?“ Ich sprach extra höflich. Das besänftigte Lehrer meistens und machte sie williger.
Fragend hob Mr Morrison die Augenbrauen. „Das weißt du nicht?“
Ich schaute ihn ausdrucklos an. Plötzlich war es mir u nangenehm, dass mein Lehrer so überrascht zu sein schien, dass ich nicht wusste, was mit Liam war.
„Liam ist weggezogen. Ich dachte, er hätte dir das gesagt.“
Ähh … Was?! Ich war total schockiert, doch stattdessen antwortete ich: „Ach so, stimmt ja. Hatte ich vergessen.“
Sehr einfallsreich, Emma. Das schien auch Mr Morrison zu denken. Er sah aus, als würde er mich für völlig wahnsinnig halten. Sauer, aber auch gleichzeitig unheimlich traurig, dass Liam abgehauen war, ging ich zu ihm nach Hause. Da würde mir schon irgendjemand sagen können, wo er hin war. Ich klingelte und Liams Mutter öffnete. Na ganz toll.
„Was willst du?“, fragte sie mich unfreundlich. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern.
„Ich möchte wissen, wo Liam ist “, forderte ich.
„Wozu?“
Völlig perplex über diese Gegenfrage, stammelte ich los. „Ähm … ja … Liam ist mein Freund und …“,
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