Voll gebissen
Ich wusste, dass ich in Bezug auf Amilia nicht immer alles so klar sah, wie es eigentlich war, und Liam hatte Recht. Ich machte ihm wirklich jedes Mal eine Szene, wenn es um diese Schnepfe ging. Das fiel ja sogar mir selbst auf und auch ich war mittlerweile von dem ewigen Ärgern darüber genervt. Aber warum konnte denn auch keiner eine Bombe auf ihren Kopf schmeißen, so dass ich sie ein für alle Mal los war? Wenn wir uns ihretwegen stritten und auseinander gingen, war das sicherlich nur ganz in ihrem Sinne. Und wer wollte Amilia schon einen Gefallen tun?
„Ich versuche, mich in Zukunft zusammenzureißen“, beugte ich mich und Liam nickte.
„Und ich versuche, ein bisschen mehr Rücksicht auf deine Gefühle zu nehmen.“ Dann legte er den Arm um mich und schob mich zurück Richtung Klassenzimmer. „Komm, es hat geklingelt. Wir müssen zurück.“
Bereitwillig folgte ich ihm. Wir saßen schon auf unseren Plätzen, als Amilia erneut angearschwackelt kam.
„Liam, mein Zuckermäulchen. Was hältst du davon, wenn wir die Stunden nicht nur auf die Vollmondtage beschränken? Es gibt ein paar Übungen, die kann man auch gut als Mensch machen. Und es würde dich wesentlich schneller voranbringen.“ Sie klimperte mit ihren Wimpern und warf mir einen gehässigen Blick zu.
Da! Ich war gar nicht diejenige, die immer anfing. Ho ffentlich erkannte das Liam jetzt auch mal langsam!
„Amilia, hör doch mal bitte auf, Emma ständig zu pr ovozieren. Wir sind hier doch nicht im Kindergarten!“, fing Liam an und ich grinste Amilia mit meinem schadenfrohsten Lächeln an, dass ich auf Lager hatte. Hätte mich jemand so unverschämt angegrinst wie ich sie, hätte er definitiv mit einer Backpfeife rechnen können.
Liam ergriff erneut das Wort und was er dann sagte, ließ mir mein dummes Grinsen ganz schnell wieder vergehen. „Allerdings könntest du recht haben. Übung macht schließlich den Meister, nicht wahr? Wann hättest du denn Zeit?“
Ich schnaubte missbilligend. Das war doch jetzt wohl nicht wahr, oder? Verabredete er sich tatsächlich vor meinen Augen mit ihr, obwohl wir uns vorhin noch deswegen gestritten hatten ? Sah so etwa „Ich versuche ein bisschen mehr Rücksicht auf deine Gefühle zu nehmen“ aus?
Ärgerlich nahm ich einen Bleistift aus meinem Mäppchen und spielte damit herum, bis er entzwei brach.
„Oh“, tat Amilia betroffen, „passt dir das etwa nicht? Verzeih mir, ich wollte dich nicht verärgern.“
Es wäre besser für sie, wenn sie ganz schnell die Schnauze halten würde, dachte ich grimmig und schaute herab auf meine zwei Bleistifthälften.
„Leider bin ich die Einzige, die deinem Noch-Freund helfen kann. Ist schon schlimm, wenn man aus anderer Ecke so übervorteilt wird, oder?“
Ich schaute sie an und sah ihr spöttisches Grinsen. Ku rzerhand schmiss ich den Bleistift herunter und grinste so herabwürdigend, wie ich nur konnte, zurück. Wie war das doch gleich? Sie musste tun, was ich wollte?
Amilias Blick sagte „Das wagst du nicht“, doch mein Inneres sagte: „Oh doch! Komm schon! Wir schaffen das!“
Also lächelte ich weiter und sagte freundlich: „Heb auf“. Mittlerweile hatte auch der Rest der Klasse unseren kleinen Disput mitbekommen und wartete gespannt darauf, wie es weiterging. Für sie war es lediglich belangloses Rumgezicke. Vermutlich hatte der männliche Teil der Klasse schon irgendwelche Schlammcatch-Fantasien im Sinn.
Alle, bis auf Kyle und Liam, die beide so erschrocken aussahen, als hätten sie einen lebenden Toten gesehen. Wobei das kein guter Vergleich war. Wer ein Werwolf war, dem musste ja ein Zombie auch nicht unbedingt spanisch vorkommen, oder?
„Emma, nimm das zurück“, zischte Liam mir zu, doch ich dachte gar nicht daran. Jedes Mal machte Amilia mich dumm an und ich hatte ihm schon vor längerem gesagt, dass ich mir das nicht länger bieten lassen würde. Weder von ihm, noch von irgendjemand anderem. Und dass ich auch noch von einem Werwolf gebissen und dadurch selbst zu einem geworden war und meine Hemmschwelle in Sachen Reizbarkeit und Aggressivität auf ein Minimum geschrumpft war, beschwichtigte mich auch nicht nur ansatzweise.
„Emma, bitte, sag was“, flüsterte Liam erneut.
Ich sollte was sagen? Gut … Ich machte ja meistens, was man mir sagte. „Wird das heute noch was?“, fragte ich Amilia, deren Augen – wie mir gerade auffiel – richtig glubschig waren, wenn sie sich aufregte. Kurz hatte ich das Gefühl, dass sie mir gleich eine
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