Voll Speed: Roman (German Edition)
dass ich ihn verpfiffen habe. Ich mag meinen Mann zwar irgendwie, aber ich bin nicht scharf darauf, mich jetzt schon neben ihn zu legen.«
Sie drückt ihm einen Kuss auf den Mund. »Sei nicht traurig. In ein paar Tagen hätte ich Deutschland sowieso den Rücken gekehrt.« Sie lächelt aufreizend. »Und wer weiß? Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.«
Phil und ich schweigen, während wir in seinem Volvo durch den Feierabendverkehr zuckeln. Der Triumph, den dieser Tag für uns bereitzuhalten schien, hat sich endgültig in eine bittere Niederlage verwandelt.
Schließlich fasst Phil unser Dilemma zusammen: »Piroschka hat die Wahrheit gesagt. Ihre Angst war echt. Und sie wäre nicht Hals über Kopf abgehauen, wenn sie mit Schmidtbauer gemeinsame Sache machen würde.« Mit zwei Fingern trommelt Phil auf das Lenkrad. »Aber warum zur Hölle haben wir in der Klinik dann nichts gefunden?« Wieder Trommeln. »Das Zeug muss einfach da sein!«
»Lass gut sein, Partner«, erwidere ich. »Ernie hat recht. Wir schlafen drüber, und morgen sieht die Welt schon wieder anderes aus.«
Phil nickt zustimmend, obwohl wir beide wissen, dass er nicht eher ruhen wird, bis klar ist, warum wir in Schmidtbauers Klinik kein Magenta gefunden haben.
»Ich werde ihn beschatten«, verkündet Phil, als er mich am Zoo absetzt. »Du und Rufus könntet versuchen herauszufinden, wo genau die Ratten sich den Stoff besorgt haben.«
Momentan hat es wenig Sinn, Phil davon zu überzeugen, dass wir uns im Kreis drehen. Ich nicke also und sage: »Geht klar.«
Tatsächlich marschiere ich sofort zum Headquarter. Vielleicht hat Rufus ja eine Idee. Als ich ihn sehe, verschlägt es mir den Atem. Rufus sitzt in einer Ecke, starrt vor sich hin und haut sich ununterbrochen seine Kralle aufs Ohr. Dabei brabbelt er unverständliches Zeug.
»Rufus?«
Er registriert mich nicht. »Rufus!!!«
Mein Bruder hebt den Kopf und schaut in meine Richtung, scheint aber durch mich hindurchzusehen. Sein Blick behagt mir überhaupt nicht. Soll ja nur ein kleiner Schritt von der Genialität zum Wahnsinn sein. Und genial ist mein Bruder. Zumindest war er es bis heute.
»Was ist passiert?«, frage ich besorgt.
»Aus… Aus… Aus… Aus… «, stottert Rufus und schlägt sich im Halbsekundentakt die Kralle aufs Ohr. Dann reißt er sich für einen kurzen Moment zusammen: »Ausnahmezustand 2–4–8.«
»Rufus! Kein Schwein kennt deine Codes. Was, zur Hölle, ist Ausnahmezustand 2–4–8?«
»Über… Über… Über… Über… «, stottert mein Bruder.
»Rufus!«, brülle ich ihn an. »Konzentrier dich!«
»Überfall auf das Headquarter«, bringt Rufus mühsam hervor. »Ratten.«
Kapitel 19
Es dauert eine Weile, bis Rufus wieder zusammenhängende Sätze bilden kann. Um ihn aus seiner Schockstarre zu befreien, habe ich die Asservatenkammer geplündert und ihm eine beträchtliche Menge des dort gelagerten Traubenzuckers eingeflößt. Bei Gelegenheit könnte mein jüngerer Bruder die Kammer mal wieder aufräumen. Sieht aus wie Kraut und Rüben. Vermutlich hat Rufus sich in letzter Zeit zu viel um die Affären von Natalie und zu wenig um seine organisatorischen Pflichten gekümmert.
Jedenfalls entpuppt sich die bei unseren jüngeren Geschwistern sehr beliebte Partydroge auch als wirksames Mittel gegen Schockzustände. Das Zeug wirkt gleichermaßen beruhigend wie belebend. Nach zwei Packungen ist Rufus immerhin wieder ansprechbar.
»Okay. Dann erzähl mir doch mal, was hier passiert ist!«
»Du wirst es mir kaum glauben«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Ich würde es ja selbst nicht glauben, wenn ich es nicht erlebt hätte. Die sind hier jedenfalls einfach reinspaziert und haben uns hopsgenommen.«
»Du sprichst wirklich von Ratten?«, frage ich ungläubig. »Und die waren hier? In unserem Bau?«
Rufus nickt. »Nach dem Abendessen wollte ich noch ins Headquarter, um ein bisschen im Internet zu surfen. Als ich reinkomme, höre ich Geräusche in der Asservatenkammer. Ich gehe also hin, und was sehe ich?«
»Ratten?«
»Allerdings!«, ereifert sich Rufus. »Und die durchwühlen nicht nur sämtliche Fundstücke, sie haben auch den Elektroschocker geklaut und obendrein Rocky als Geisel genommen.«
»Die Ratten haben … Rocky?«
Rufus nickt. »Glaub mir, Ray, ich hatte keine Chance.«
»Wie viele waren es denn?«
»Zwei.«
Er sieht mein erstauntes Gesicht.
»Hey! Die hatten den Elektroschocker. Und sie hatten Rocky bereits überwältigt. Der ist mindestens
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