Voll Speed: Roman (German Edition)
rühren.«
»Und das Schätzchen da hinten soll ja auch dein Werk sein«, sagt der Capo und deutet mit dem Kopf in eine dunkle Ecke der Kanalisation, wo nun eine Fackel entzündet wird. Im Lichtschein ist unser Speedboot zu erkennen.
»Leider wird euer Schmuckstück den heutigen Tag nicht überleben«, erklärt der Boss. »Ich werde es gleich höchstpersönlich zu Schrott fahren. Macht bestimmt Spaß. Ich dachte, ihr wolltet es vorher vielleicht noch mal sehen.«
Er lacht röchelnd und bekommt dabei einen Hustenanfall.
Gelegenheit für uns, auch mal was zu sagen, denke ich und ergreife das Wort. »Wollen wir nicht langsam mal zur Sache kommen? Ich meine, ich hab nichts gegen einen kleinen Plausch unter Freunden, aber eigentlich haben mein Bruder und ich heute noch was vor.«
Bleierne Stille.
Ich dachte, eine lässige Äußerung würde den alten Fellbeutel beeindrucken. Vielleicht war ich da aber doch etwas zu forsch, denke ich.
Das eitrig schimmernde Auge des Greises fixiert mich.
»Also gut«, sagt er betont leise. »Kommen wir zur Sache.«
Er hebt eine Pfote, im gleichen Moment flammen überall in der Röhre Fackeln auf, und die Szenerie wird von einem Moment auf den nächsten taghell erleuchtet. Ich muss kurz die Augen schließen, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Gleich danach schließe ich die Augen noch mal, weil ich hoffe, dass sich das, was ich sehe, als optische Täuschung entpuppt.
Leider ist es Realität. Vor uns ragt das Katapult in den schwarzen Himmel der Unterwelt. Es wird umringt von einem räudigen und übelriechenden Rattenheer.
Die Soldaten des Rattenbosses haben Rocky geknebelt und gefesselt und ihn dann auf das Katapult gebunden. Er zieht und zerrt an den Fesseln, aber ohne Erfolg. Der Wurfarm steht unter enormer Spannung. Ein kleiner Zug an dem Hebel, der den Mechanismus auslöst, und Rocky wird an die gegenüberliegende Wand geschleudert.
»Ach du große Scheiße«, sagt Rufus.
Was genau er damit meint, sehe ich erst auf den zweiten Blick: Die Ratten haben die vordere Querstrebe am Katapult entfernt. Eigentlich bremst sie den Wurfarm, damit das Geschoss eine optimale Flugbahn erwischt. Ohne die Querstrebe schlägt der Wurfarm einfach nach vorn und knallt mitsamt seiner Ladung auf den Boden. So funktioniert das Katapult wie eine überdimensionale Fliegenklatsche. Durch die Wucht des Aufpralls würde Rockys Körper einfach zermatscht werden.
Mit einem mulmigen Gefühl verfolge ich das Gewimmel der Ratten am Katapult. Würde eine von ihnen zufällig den Mechanismus auslösen, dann wäre unser Bruder nur noch ein Fleck in der Kanalisation.
»Alles klar. Wir haben verstanden. Sag uns einfach, was du willst!«, bitte ich. Mit dem Capo ist offenbar nicht zu spaßen. Aber das zeichnete sich ja bereits bei unserer ersten Begegnung ab.
Er verzieht sein schiefes Maul zu einem schiefen Lachen. »Vielleicht möchtet ihr beide mir ja ein Angebot machen.«
»Wir wollen nur unseren Bruder. Sag uns einfach, was du im Gegenzug dafür haben willst.«
Mühsam wendet der Capo seinen Kopf zum Katapult. »Deine Familie scheint dich wirklich zu mögen«, krächzt er.
Rocky windet sich in seinen Fesseln.
»Nehmt ihm den Knebel raus! Ich glaube, er will uns was sagen.«
Eine der Ratten zieht Rocky einen alten, dreckigen Lappen aus dem Maul.
»Ihr gebt ihnen überhaupt nichts!«, brüllt Rocky. »Ist das klar? Wir verhandeln nicht mit Ratten. Da geh ich lieber drauf!«
Der Capo nickt, und Rockys nächster Wutanfall geht in einem Gurgeln unter, weil er wieder den dreckigen Lappen ins Maul gestopft bekommt.
»Ihr habt gehört, was euer Boss sagt«, röchelt der Capo. »Keine Verhandlungen mit Ratten. Dann könnt ihr euch ja jetzt schon mal überlegen, ob ihr dabei sein wollt, wenn wir euren Bruder in den Erdmännchenhimmel katapultieren.« Er hustet kurz. Könnte auch ein niederträchtiges Lachen gewesen sein.
»Du hast das Boot. Du hast den Elektroschocker. Und deine Leute haben sich große Teile der Kanalisation unter den Nagel gerissen, die eigentlich uns gehören. Was hast du davon, wenn du jetzt auch noch unseren Bruder umlegst?«
»Das Spiel läuft genau andersherum«, erwidert der Rattenboss. »Ihr beide müsst mir einen triftigen Grund nennen, warum ich euren Bruder am Leben lassen soll. Und ich möchte diesen Grund einigermaßen zügig hören.« Sein funktionierendes Auge fixiert mich. »Weil ich nämlich heute Abend tatsächlich noch was vorhabe.«
Hilfesuchend schaue ich zu
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