Voll Speed: Roman (German Edition)
nickt er. »Wenn man bedenkt, dass sie mit den meisten unserer jüngeren Brüder aus nichtigeren Gründen rumpoussiert, dann könnte da in der Tat was dran sein.«
»Gut«, sage ich und wechsele, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, das Thema: »Gibt es in unserer Asservatenkammer etwas, das schwimmt?«
Rufus reißt sich von dem Gedanken an Natalie los und betätigt das auf dem Konferenztisch liegende iPhone. »Gut, dass die uns die ganze Elektronik dagelassen haben«, murmelt er.
»Was soll eine Ratte auch mit ’nem iPhone?«, frage ich.
»R7-E4«, antwortet Rufus.
»Aha. Und das heißt?«
»Viertes Fach in Regal Nummer sieben«, erklärt Rufus. »Falls die Ratten es nicht mitgenommen haben, dann liegt da ein aufblasbares Schlauchboot für Kleinkinder. Und irgendwo müssten da auch noch ein paar Löffel rumfliegen, die wir als Paddel benutzen können.«
»Perfekt«, sage ich.
Unser Boot ist nicht besonders hübsch, aber es erfüllt seinen Zweck. Lautlos gleiten wir in die Kanalisation, sorgsam darauf bedacht, die dünne Plastikaußenhaut nicht mit unseren Krallen zu beschädigen. Die Situation ist beschissen genug, das müssen wir nicht toppen mit einem Bad in der stinkenden braunen Pampe, die uns umgibt.
»Peinlich«, sagt Rufus. »Wirklich peinlich.«
Er meint das Boot. Beim Aufblasen hat es sich als rosafarbenes Entlein mit blassgelben Flügelchen entpuppt.
»Kriegt ganz sicher keiner mit«, verspreche ich. »Wir gehen einfach den letzten Teil des Weges zu Fuß.«
»Wie süüüüüüüß«, fiept in diesem Moment eine Ratte, die mit einem Trupp von sechs weiteren Ratten eine Abzweigung unweit unseres Hafens bewacht. Eigentlich gehört das Terrain zu unserem Hoheitsgebiet. Dass die Ratten sich dermaßen weit vorwagen, ist ungewöhnlich. Rufus und ich tauschen einen besorgten Blick.
»Ihr werdet bereits erwartet«, ruft die Ratte. »Wir müssen euch filzen, dann könnt ihr zurück auf euer … Ding da. Der Boss wird sich schlapplachen.«
Wie wir feststellen müssen, sorgt unser Auftritt nicht nur beim Rattenboss für Erheiterung. Als wir mitsamt unserem Entlein ins Rattenreich geschleppt werden, hallt das vielstimmige Lachen der Ratten quälend lange durch die Kanalisation. Man bringt uns zu dem Schacht mit den Katapulten. Sie sind schemenhaft im Hintergrund zu erkennen, weil nur der vordere Teil der Röhre durch eine einzige Fackel erleuchtet ist. Hier fläzt sich eine besonders fette Ratte auf einem angemoderten Pantoffel. Es ist der Kerl mit dem halb zerfetzten Ohr und der Augenklappe, den wir bei der Jungfernfahrt mit unserem Speedboot getroffen haben. Il Capo. Der Chef.
»So sieht man sich also wieder«, röchelt er. »Wie war das doch gleich? Miami, wir kommen?«
Sein noch halbwegs funktionierendes Auge fixiert Rufus. Ich kann meinen Bruder zittern hören. »Und du bist also der kluge Kerl, der sich die vielen Mordinstrumente ausgedacht hat, die unserem Rattenvolk die allerschlimmsten Verluste beigebracht haben.«
Aus der dunklen Röhre dringt ein vielstimmiges Raunen. Ich vermute, dass sich dort mehr Ratten tummeln als Piepmätze in der Großvoliere.
Gleich neben mir ist ein leises Plätschern zu hören.
»Pinkelst du dir da gerade auf die Füße, Rufus?«
Rufus nickt nur. Offenbar schnürt ihm panische Angst die Kehle zu.
»So technische Meisterwerke wie dieses Gerät hier«, fährt der Capo fort und greift dabei hinter sich, um den Elektroschocker hervorzuholen. »Spannendes Ding. Vielleicht möchtest du ja mal am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, eine tödliche Stromladung in die Rübe geblasen zu bekommen«, röchelt der Boss und winkt mit einer Kopfbewegung eine Ratte herbei, die den Schocker an sich nimmt und damit langsam auf Rufus zusteuert.
»Jetzt hast du wirklich einen Grund, dir auf die Füße zu pinkeln«, sage ich und weiche instinktiv zurück.
»Nix mehr drin«, höre ich Rufus sagen. Er bleibt wie angewurzelt stehen, während sich der gefährlich summende Schocker seiner Nase nähert. Die rote Kontrollleuchte verrät, dass der Akku bis zum Anschlag geladen ist.
Nur wenige Millimeter trennen Rufus davon, elektrogeschockt zu werden, da greift der Boss ein. »Das reicht!«
Die Ratte mit dem Schocker verschwindet, Rufus hat sich immer noch nicht bewegt. Ich trete wieder an seine Seite.
»Coole Nummer«, sage ich leise. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»War nicht cool. Ging nicht anders«, flüstert Rufus. »Ich kann mich vor Angst nicht
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