Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
Vom Netzwerk:
pampig wurde, als ich sie zurechtgewiesen habe. Alles läuft wunderbar bis zum Schluss. Ich bin die Letzte, aber es gibt da noch zwei Zettel. Ayla ist überrascht: »Häääh? Wieso sind da zwei drin? Muss doch nur noch Frau Freitag ziehen.« Ich nehme die beiden Zettel. Bilal und Emre. Plötzlich nimmt mir Ayla die Zettel wieder aus der Hand, verschwindet damit an ihren Tisch und gibt sie mir kurze Zeit später zurück.
    »Na, Ayla, gib her, dann muss ich eben zwei Geschenke besorgen.« Ich nehme die Zettel und stecke sie mir in die Hosentasche.
    Im Lehrerzimmer hole ich sie raus. Und da stehen Bilal und … Ronnie!
    Der Lehrer bleibt einfach Lehrer, auch wenn er für den Julklapp einkaufen geht: die Zehnerpackung Kugelschreiber, ein kleines Lineal, Mini-Tesaroller, fünf unterschiedliche Gelschreiber, die immer toll schreiben, aber schnell leer sind, ein etwas höherwertigerer Kuli, ein Marker, und dann packe ich noch einen guten Radiergummi und ein paar Bleistifte aus dem Kunstfachbereich dazu.
    Als Büromaterialfetischistin würde ich mich über so viele Schreibwaren halbtot freuen. Ich freue mich schon über die roten Gelschreiber, die ich aus den Packungen rausnehme, denn ROT ist ja die Lehrerfarbe. Ronnie und Bilal werden müde lächeln und sich artig bedanken, freuen werden sie sich bestimmt nicht, denn die anderen Jungs werden billiges Herrenparfüm, Deo oder sonst was Männliches geschenkt bekommen. Stifte sind nun mal so ganz und gar nicht männlich. Aber nützlich, und ich liebe nützliche Geschenke. Ich würde mich immer über eine Stange Zigaretten, ein paar Flaschen Mineralwasser oder ein leckeres Brot freuen. Selbst zum Geburtstag oder zu Weihnachten, und erst recht zum Julklapp.
    Erst nachdem ich die Stifte und noch einen Haufen Weihnachtsdeko gekauft habe, fällt mir auf, dass mir eine Federtasche für die Stifte fehlt. Ronnie und Bilal haben überhaupt keinen eigenen Stift und schon gar keine Federtaschen. Eine Federtasche unterstreicht auch nicht gerade die maskuline Seite eines Schülers, wenn schon der Besitz eines eigenen Stiftes einer Kastration gleichkommt. Bilal fragt grundsätzlich sofort, nachdem ich eine schriftliche Arbeitsphase ankündige: »Hat jemand einen Kuli?« Und Ronnie, dem ich schon dreimal einen Kugelschreiber geschenkt habe, schreibt seit einer Woche mit einem grünen Textmarker. Und wenn er sich langweilt – und das tut er in meinem Unterricht immer –, dann unterstreicht er jedes Wort auf dem Arbeitsblatt.
    Aber dieses Elend hat jetzt ein Ende, denn nächste Woche bekommen die beiden von mir eine prall gefüllte Federtasche mit mindestens siebzehn Kulis und fünf Gelschreibern. Wenn die irgendwann alle oder weg sind, dann bleiben immer noch die Bleistifte.
    Die Stifte haben mein Fünf-Euro-Budget gesprengt, deshalb rufe ich die Frau für alle Fälle an und frage nach Federtaschen. Meine Lehrerfreundin Frau Dienstag, die ich seit dem Referendariat kenne, kann dir nicht nur in der kleinen Pause die Winterreifen aufziehen, sie produziert dir auch im Vorbeigehen Federtaschen mit Applikationen. Wir treffen uns bei Karstadt in der Schuhabteilung. Zwischen Giesswein- und Hush-Puppy-Hausschuhen erfolgt die Übergabe. Ronnie bekommt die Jeanstasche mit pinkfarbenem Pfeil und Bilal die mit einem gelben Stern. Der gelbe Stern irritiert. Er sieht zwar nicht aus wie ein Davidstern, denn er hat weniger Zacken, aber eigentlich erinnert er doch daran. Damit er nicht ganz so aussieht, hat Frau Dienstag noch einen pinkfarbenen Rand draufgestickt. Das macht die Sache nicht besser. Diese Federtasche bekommt Bilal. Da meine Klasse in Geschichte schon im Dritten Reich angekommen ist, könnte das Julklapp-Geschenk Fragen aufwerfen. Bilal ist palästinensischer Libanese. Vielleicht sieht er den Stern aber auch nur als Weihnachtsgruß. Ich könnte mit Edding noch ein Smiley draufmalen. Oder irgendwas in Fraktur.
    Ach, was soll’s, wird schon gehen. Frau Dienstag hat mir auch schon mal so eine Tasche genäht. Ich benutze sie als Kosmetiktasche. Wenn er sie nicht will, dann gebe ich sie zurück und bestelle bei Frau Dienstag eine Federtasche in den Farben der palästinensischen Flagge mit aufgestickter Tanne. Eigentlich geht es ja auch mehr um den Inhalt. Und die beiden bekommen schließlich Stifte von mir, die für den Rest ihres Lebens reichen werden. Nur noch ein halbes Jahr Schule, und dann wird sich bei den beiden die Dringlichkeit von Schreibmaterialbesitz schlagartig verringern.
    Ein paar

Weitere Kostenlose Bücher