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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Explizit geschieht dies durch eine höhere Ersparnisbildung in der aktiven Arbeitszeit, möglicherweise in Ergänzung zu einem weiter existierenden System der Sozialversicherung (in Deutschland zum Beispiel durch die „Riester-Rente“). Implizit kann es geschehen, indem über politische Entscheidungen das Defizit im Staatshaushalt verringert oder der Überschuss erhöht wird, und zwar um so viel, wie die zusätzliche implizite Verpflichtung des Staates durch Renten- und Gesundheitszahlungen in der Zukunft ausmacht. 77 In jedem Fall wird – unter sonst gleichen Bedingungen – der Kapitalmarkt ein Stück weit entlastet, und dies folgt ökonomischer Logik: Die Menschen wollen ihre Sparperiode verlängern, also ihr Vermögen relativ zum laufenden Konsum erhöhen, und sie werden dies direkt am Kapitalmarkt oder indirekt im politischen Prozess der Reformen der Staatsfinanzen durchsetzen. Gelingt ihnen die Durchsetzung ihres Ziels politisch nicht, werden sie eben ergänzend zur Existenz des Sozialstaats privates Vermögen bilden, also eine Art Mischform der Alters- und Gesundheitsvorsorge wählen. Auch dann kommt es zur Entlastung des Kapitalmarkts, sei es durch zusätzliche Ersparnis, sei es durch geringere staatliche Defizite. Von dieser Seite her wird es auf lange Sicht eine Tendenz zu einem niedrigen Realzins geben.
    Natürlich gibt es Möglichkeiten, dieser Tendenz zur Verlängerung der Sparperiode entgegenzuwirken. Das Hauptinstrument ist dabei die Verlängerung der Lebensarbeitszeit: Sie kann zwar nicht die Gesundheitsrisiken des Alterns mindern, wohl aber die Zeit des Rentenbezugs verkürzen, indem die Menschen über die bisherigen Altersgrenzen der Verrentung hinaus arbeiten. So hat es in Deutschland bereits die Einführung der Rente mit 67 (statt 65!) gegeben; andere Industrieländer sind diesem Trend gefolgt beziehungsweise werden noch folgen. Weitere Erhöhungen bis zu einem Alter von 70 sind keineswegs ausgeschlossen, ebenso wie Bemühungen, das Eintrittsalter in das aktive Berufsleben zu senken, mit analoger Wirkung auf die avisierte Sparperiode. Allerdings ist sehr zweifelhaft, ob diese Reformen mehr leisten können, als die Wirkungen der (fortschreitenden) Erhöhung der Lebenserwartung und der Verbesserung (und Verteuerung) der medizinischen Altersversorgung und Pflege leicht abzufedern. Der fundamentale Trend hin zu höheren Ersparnissen bleibt wohl bestehen.
    So viel zur Seite des Kapitalangebots. Ob dessen Zunahme im Trend tatsächlich zu dauerhaft niedrigen Realzinsen führt, hängt entscheidend von der Entwicklung der Kapitalnachfrage ab. Die wichtigste Frage lautet dabei: Wie wird sich – jenseits des Staates – die Bereitschaft der privaten Wirtschaft entwickeln, am Markt verfügbares Kapital zu investieren? Hier sind die Unsicherheiten einer Vorhersage weit größer als auf der Seite der Ersparnisse. Der Grund ist einfach: Wir sprechen hier letztlich über die globale Rentabilität von Investitionen, eine Frage von ungeheurer Komplexität. Um sie vernünftig anzugehen, ist es nützlich, zwischen der Kapitalnachfrage in Entwicklungs- und Schwellenländern auf der einen Seite und in reifen Industrieländern auf der anderen Seite zu unterscheiden. Denn alle historische Erfahrung spricht dafür, dass der Investitionsbedarf in Ländern, die noch aufholen, deutlich höher liegt als in Ländern, die bereits über einen arrondierten Bestand an Maschinen und Bauten sowie Infrastruktur verfügen.
    Beginnen wir mit der prototypischen Situation von Entwicklungs- und Schwellenländern. In der Wirtschaftswissenschaft herrschte über lange Jahre Einigkeit, dass es in diesen Ländern tendenziell eine sehr hohe Kapitalnachfrage gibt, die typischerweise das Kapitalangebot bei Weitem übersteigt. Die traditionelle Lehre der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung, wie sie in Deutschland unter anderem Herbert Giersch in den 1970er- und 1980er-Jahren vertrat, 78 sah es deshalb als einen Normalfall an, dass diese Länder, wenn sie schnell wachsen, im Zuge ihrer Entwicklung eher Kapital importieren, also ein Defizit in der Leistungsbilanz finanzieren, bedingt vor allem eben durch hohe Investitionen. Dies entsprach völlig der Logik eines harmonischen Ausgleichs der Kapitalknappheit in der Welt: Investitionen fließen „bergab“, also von Reich zu Arm, und nicht „bergauf“ von Arm zu Reich. Bereits in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren wurde indes von Wachstumsökonomen, allen voran Robert Lucas 79 , die

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