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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Entwicklung entstehen. Gerade die Umsetzung dieser Innovationen am Markt sorgt für ein qualitatives Wachstum, das sich in einer Zunahme der Arbeitsproduktivität niederschlägt – im langjährigen Durchschnitt vielleicht maximal zwei Prozent p. a., jedenfalls viel weniger als die Wachstumsraten in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ergebnis ist eine eher mäßige Zunahme der Kapitalnachfrage im Trend, und dies bei deutlich steigendem Ersparnisvolumen. Also: auch vonseiten der Industrieländer eher sinkende Realzinsen.
    Unser erstes Zwischenfazit lautet: Kapital wird global billig, vielleicht billiger, als es jemals in der Wirtschaftsgeschichte seit der Industrialisierung war. Tatsächlich war auch in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg der Realzins für Anlagen mit geringen Risiken sehr niedrig. Er lag im langjährigen Durchschnitt bei unter zwei Prozent (siehe Schaubild 12b ). Und dies war immerhin noch eine Zeit, in der ein großer infrastruktureller Investitionsbedarf bestand. Wir dürften in den wohlhabenden Industrieländern dagegen in der Zukunft eher darunter liegen. Es geht also um Kapitalkosten, wie sie Japan schon seit fast zwei Jahrzehnten kennt. Dort liegen die langfristigen Zinsen nominal sehr nahe bei null, abzüglich der laufenden Inflationsrate, also real, sogar phasenweise im negativen Bereich.
    So weit der Trend der Zukunft, wie er sich aus der strukturellen Konstellation der Weltwirtschaft ergibt. Auf den Punkt gebracht lautet er: Arbeit wird teuer, Kapital wird billig. Dies ist in einem Land wie Deutschland in der Tat eine neue Situation, wie es sie über einen längeren Zeitraum bisher, wenn überhaupt, nur einmal gegeben hat: in den Friedensjahrzehnten des Wilhelminismus, etwa von 1895 bis 1914. Aus der Volkswirtschaftslehre wissen wir, dass für viele unternehmerische Entscheidungen vor allem das Verhältnis der Faktorpreise von größter Bedeutung ist, also die Lohn-Zins-Relation, oder präziser formuliert: die Nutzungskosten der Arbeit im Verhältnis zu den Nutzungskosten des Kapitals. Dieses Verhältnis der Faktorpreise reagiert bei gegebenem Trend der Reallöhne (nach oben!) äußerst sensibel auf Zinsveränderungen. Ein simples Zahlenbeispiel macht dies deutlich: Bei gegebenem Reallohn von, sagen wir, 100.000 Euro pro Jahr, einer einmaligen Investition in Sachkapital von 100.000 Euro und einer Nutzungsdauer des Kapitalstocks von 15 Jahren ist das Verhältnis der Faktorpreise gleich 0,74 für zwei Prozent Realzins im Jahr, 0,86 für ein Prozent und 1,0 für null Prozent. Es geht also bei einer Abnahme des Realzinses gegenüber einem früheren Trend von, sagen wir, zwei Prozentpunkten um eine Erhöhung des Verhältnisses der Faktorpreise von 0,74 auf 1,0, also um stolze 35 Prozent. Zumindest über einen längeren Zeitraum wird es mithin einen gewaltigen zusätzlichen Anreiz geben, knappe Arbeit durch reichlich vorhandenes Kapital zu ersetzen. Wohlgemerkt: Dieser Anreiz wirkt zusätzlich zu der ohnehin erwarteten Steigerung der Reallöhne. Nehmen wir an, diese liege über 15 Jahren im Trend bei zwei Prozent p. a., so kommen wir sehr schnell in den Bereich einer Verdoppelung des Faktorpreisverhältnisses zwischen Arbeit und Kapital.
    Zu wenig Staatsverschuldung?
    Kontroverse Konsequenzen der Kapitalschwemme
    Säkulare Kapitalschwemme – so lässt sich das Bild bezeichnen, das Carl Christian von Weizsäcker in einer Reihe wichtiger Beiträge von der Zukunft der Weltwirtschaft gezeichnet hat. Es ist eine Welt der extrem niedrigen Nominalzinsen, in der die Sparer geradezu verzweifelt nach Möglichkeiten suchen, ihre Vermögen möglichst risikolos anzulegen. Das Bild ist plausibel, denn es beruht auf stabilen langfristigen Trends der Demografie und des Wachstums in Industrie- und Schwellenländern, die so schnell nicht wegzudiskutieren sind.
    Sichere Anlagen, „safe assets“, daran fehlt es in der Weizsäcker-Welt. Sie sind sehr knapp und sehr teuer. Nichts liegt deshalb näher, als dafür zu sorgen, dass es mehr davon gibt. Was aber sind die sichersten Anlagen? Es sind die Schuldverschreibungen hochsolventer Staaten, denen der globale Finanzmarkt ohne Weiteres zutraut, das nötige Geld durch Besteuerung seiner Bürger zu mobilisieren.
    Deutschland ist ein hochsolventes Land. Warum hat es dann eine Schuldenbremse eingeführt? Welchen Sinn macht die staatliche Selbstbeschränkung, wenn der Finanzmarkt nach genau jenen „safe assets“ giert, die Deutschland anbieten kann?

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