Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Größe unterschiedlicher Generationskohorten, die sich über eine Art intertemporalen Sozialvertrag eine Alterssicherung versprechen. Es wird eben in das Rentensystem ein zusätzlicher solider Haltegriff eingeführt: der Weltmarktzins für sichere Anlagen. Und das erscheint auch fair: Vor allem jener Generation (die Babyboomer!), die selbst groß ist, aber relativ wenige Kinder hat, wird zugemutet, sich des Haltegriffs zu bedienen.
So weit, so logisch. Was aber, wenn die Welt tatsächlich auf Dauer mit sehr niedrigen Realzinsen leben muss? Dann ist der Haltegriff nicht so nachhaltig wie ursprünglich angenommen. Der Grund dafür ist dann doch wieder die Demografie: Sie sorgt nämlich nicht nur für ein Verteilungsproblem zwischen Generationen in den Umlagesystemen der Alterssicherung, sondern auch aus sich selbst heraus für eine hohe Sparbereitschaft und für eine geringere Rentabilität der Investitionen im Inland. Schrumpft oder stagniert eine Bevölkerung, so tut es eben auch der inländische Investitionsbedarf.
Genau dies macht klar, wo genau die Befürworter der Kapitaldeckung ihre eigentlich entscheidende, aber gut versteckte Annahme machten: Sie unterstellten, der Haltegriff würde global gestärkt – durch hochrentable und sichere Anlagen im Ausland. Das Kapital würde von Reich zu Arm fließen, die Rentner von morgen hierzulande würden also finanziert durch das Wirtschaftswachstum und die Rentabilität der Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Genau dies ist nicht der Fall – mangels „safe assets“ und wegen merkantilistischer Wirtschaftspolitik in China und anderswo. Es ist fast schon eine Ironie der Geschichte: Die Reichen wetteten auf das Aufholen der Armen; und heute holen die Armen tatsächlich auf, aber sie weigern sich, die für sie vorgesehene Strategie auch zu verfolgen.
Fazit: Das „deutsche Rentenproblem“ wird durch die Kapitaldeckung nicht wirklich gelöst. Dies ist allerdings kein Grund für politische Panik. Denn es könnte anderswo Ansätze zur Lösung geben, und zwar auch bedingt durch die Demografie. Die zunehmende Knappheit der Arbeitskräfte wird ja zu kräftig steigenden Reallöhnen führen. Damit wird aber auch die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zum Rentensystem steigen. Deshalb eröffnet sich ein neuer Weg der Entlastung der Beitragszahler: Wenn in der Zukunft üppige Lohnsteigerungen durch den Gesetzgeber nur zum Teil auf die Renten übertragen werden, entstehen Spielräume, die Beiträge zu senken oder wenigstens konstant zu halten, ohne die Verarmung der künftigen Rentner in Kauf zu nehmen. Allerdings erfordert eine solche Entkoppelung der Rente und des Lohns von künftigen Regierungen einigen politischen Mut. Auch der ist ein knapper Faktor!
Kurzum: Die volkswirtschaftlichen Zeichen stehen in Richtung dessen, was Ökonomen als „Kapitalintensivierung“ bezeichnen. Grundsätzlich ist dies eine große gesellschaftliche Chance, denn es eröffnet die Möglichkeit, dass die Wertschöpfung pro Arbeitsplatz sich „offensiv“ an die höheren Löhne anpasst – durch eine immer bessere und modernere Kapitalausstattung. Auf diesem Wege beschleunigt die Knappheit der Arbeit letztlich die Zunahme der Arbeitsproduktivität. Sie induziert das, was als „intensives“ Wachstum bezeichnet werden könnte – im Unterschied zu einem „extensiven“ Wachstum, das im Wesentlichen auf dem zusätzlichen Einsatz von immer mehr Arbeitskräften beruht.
Wie weit kann dieser Prozess gehen? Theoretisch denkbar ist eine unendliche Kapitalintensivierung. Auf kurze Sicht erscheint dies ziemlich absurd, denn es gibt bei gegebenem Anlagebestand nur begrenzte technische Möglichkeiten, Arbeit durch Kapital zu ersetzen; die einzelne Arbeitskraft ist ja typischerweise an einem fixen Kapitalstock (einer Maschine, einer Büroausrüstung oder Ähnlichem) tätig, und es bringt in der Regel nicht viel an zusätzlicher Leistung, diesen Kapitalstock einfach zu erweitern. Längerfristig ist dies ganz anders: Bei einer Neuanschaffung von Anlagen wird dann von vornherein die Technologie so gewählt, dass die Kapitalintensität höher ausfällt – und damit auch die Produktivität der Arbeit. Tatsächlich ist ja die Geschichte des wirtschaftlichen Wachstums in weiten Teilen nichts anderes als der ewige Fortgang eines Prozesses der Kapitalintensivierung, bedingt durch neues technisches Wissen, das den profitablen Betrieb neuer Anlagen in Kombination mit den vorhandenen
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