Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
die Welt prägten.
Die Konsequenzen sind klar: Dort, wo es die Freizügigkeit als Menschenrecht gibt, wird sie in der Zukunft in weit höherem Maße genutzt werden als in der Vergangenheit. Jedenfalls die breite intellektuelle Spitze der jungen Generation wird bereitstehen, ihr Leben dort aufzubauen, wo die Bedingungen am besten sind. Mit einem Mal wachsen Arbeitsmärkte ganz natürlich zusammen. Die Regierungen werden sich noch über Globish verwundert die Augen reiben: Was so harmlos als Medium der Kommunikation daherkam, das erweist sich als menschlicher Schlüssel zur Mobilität. Das ist die Herausforderung, vor der die Politik steht, wenn Freiheit und Bildung zusammenkommen.
Hinzu kommen dazu passende Veränderungen in den potenziellen Zuwanderungsländern der westlichen industriellen Zentren Europas. Dort geht es – wiederum schlagworthaft formuliert – um eine globalisierte Arbeitswelt. So ist es in den urbanen Ballungsräumen Europas zunehmend üblich, die innerbetriebliche Kommunikation, wenn nötig, auf Englisch zu ermöglichen. Jedenfalls ist die sprachliche Barriere keineswegs mehr ein unüberwindliches Einstellungs- und Aufstiegshindernis, und zwar selbst in Tätigkeiten, die grundsätzlich eine sprachliche Kompetenz erfordern. Zumindest für längere Übergangszeiten bis zum Erlernen der Muttersprache des Gastlandes kann also ein Zuwanderer auf einfaches Englisch zurückgreifen, das von den meisten Kollegen zumindest verstanden wird. Damit öffnet sich ein ungeheuer weites Feld von beruflichen Einsatzfeldern, die traditionell für Ausländer weitgehend verschlossen waren. Die Situation ist insofern völlig anders als in den 1960er-Jahren: Damals ging es bei der Zuwanderung der Gastarbeiter in Deutschland um eine Generation von industriellen Hilfskräften, die vor allem einfache Arbeit leisteten. Heute bietet sich für Zuwanderer ein viel größeres Spektrum an Tätigkeiten, das bis in die Bereiche der höchsten Qualifikationsanforderungen hineinreicht.
Gerade darin liegt für die Länder der geografischen Peripherie Europas eine große Gefahr: der massive „brain drain“, also die Abwanderung junger qualifizierter Arbeitskräfte in die westlichen Industriezentren. Dies hat es historisch bisher zwar noch nie gegeben; aber es hat eben auch die entsprechende wirtschaftliche Grundkonstellation in dieser Form noch nie gegeben – mit hoher Jugendarbeitslosigkeit einer globalisierten Generation in der Peripherie und mit einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt bei extremer Knappheit an Fachkräften in den Zentren. Einmal etabliert, könnten Wanderungsströme dieser Art sogar eine starke Tendenz zur Selbstverstärkung entwickeln, und zwar durch das Entstehen von nationalen „communities“ in den Großstädten der Zentren, die weit attraktiver sind als die traditionellen Wohnviertel zugewanderter Ausländer, zumeist Industriearbeiter. Urbane Großräume wie die von Frankfurt am Main, Hamburg, München, Wien oder Zürich können sehr schnell zu Magneten für Griechen, Portugiesen und Spanier, aber auch Polen, Ungarn, Rumänen und Bulgaren werden, sobald sich dort entsprechend starke Gemeinden von Fachkräften aus den entsprechenden Ländern ansiedeln. Schon heute haben diese Städte zu großen Teilen den hässlichen Charakter von „Agglomerationen des Werkstorkapitalismus“ abgelegt und sind zu multikulturellen Sammelpunkten geworden, mit einem für Ausländer durchaus attraktiven Kulturleben. Setzen einmal kraftvolle Wellen der Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften mit ihren Familien ein, so kann sich dieser Wandel noch deutlich verstärken.
Dem Ausbluten der Peripherie steht also durchaus ein Aufblühen der Zentren gegenüber. Auch politisch ist der nationale Anreiz in den westlichen Zentren groß, den Prozess der Zuwanderung eher zu fördern als zu stoppen, und zwar nicht nur durch ein groß angelegtes Umschwenken der Zuwanderungspolitik, sondern auch durch kleine ergänzende Maßnahmen auf der Ebene der betroffenen Industriebranchen und Kommunen. Derzeit ist dies zwar erst in Ansätzen spürbar, aber das wird sich ändern, sobald die Anzeichen der Knappheit an Arbeitskräften in den innovationskräftigen Industrieländern Europas immer virulenter werden. Die üblichen Widerstände gegen die Zuwanderung können sehr schnell in ein offenes oder verdecktes Werben um hoch qualifizierte Fachkräfte umschlagen. Das Zentrum Europas wird dann zu einer neuen Einwanderungsregion, eine Art
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