Vollendet (German Edition)
du.«
»Oh«, sagt Hayden. »Jetzt wird es ja richtig interessant.«
»Angeblich tut es nicht weh«, sagt Emby, als wäre das ein Trost.
»Ach ja? Dann kannst du ja mal Humphrey Dunfees Teile fragen, wie schmerzlos es war.«
Der Name legt sich wie Raureif über die vier. Das Rütteln und Schütteln der Turbulenzen wird heftiger.
»Also … habt ihr die Geschichte auch gehört?«, fragt Diego.
»Nur weil solche Geschichten in Umlauf sind, heißt das noch lange nicht, dass die Umwandlung etwas Schlimmes ist«, meint Emby. »Anderen Leuten hilft sie.«
»Du klingst wie so ein Zehntopfer«, sagt Diego.
Connor fühlt sich von diesen Worten persönlich angegriffen. »Nein, tut er nicht. Ich kenne ein Zehntopfer. Sicher, der hat merkwürdige Vorstellungen, aber dumm ist er bestimmt nicht.« Dem Gedanken an Lev folgt eine Welle der Verzweiflung. Connor kämpft nicht dagegen an, sondern lässt sie durch sich hindurchspülen. Er kennt gar kein Zehntopfer. Er kannte eins. Eins, dessen Schicksal sich mittlerweile sicher erfüllt hat.
»Willst du damit sagen, ich bin dumm?«, sagt Emby.
»Du merkst aber auch alles!«
Hayden lacht. »Hey, der Maulbrüter hat doch recht – manchen Leuten hilft die Umwandlung wirklich. Ohne sie gäbe es wieder Typen mit Glatze. Wie schrecklich wäre das denn?«
Diego kichert, aber Connor findet das kein bisschen komisch. »Emby, tu uns allen einen Gefallen und benutz deinen Mund zum Atmen statt zum Reden, bis wir landen oder abstürzen oder was auch immer.«
»Du glaubst vielleicht, ich bin dumm, aber ich weiß, wovon ich rede«, antwortet der. »Als ich klein war, wurde bei mir eine Lungenfibrose diagnostiziert. Beide Lungenflügel waren kurz davor, dichtzumachen. Ich hätte sterben müssen. Da haben sie mir die kaputte Lunge herausgenommen und mir den Lungenflügel eines Wandlers eingesetzt. Ich bin nur am Leben, weil der Typ umgewandelt wurde.«
»Dann ist dein Leben also wichtiger als seins?«, fragt Connor.
»Er war ja schon umgewandelt. Ich bin doch nicht schuld daran! Wenn ich nicht die Lunge bekommen hätte, dann jemand anders.«
In seiner Wut hebt Connor die Stimme, obwohl Emby nur höchstens einen Meter entfernt sitzt. »Ohne Umwandlung gäbe es weniger Chirurgen und mehr Ärzte. Ohne Umwandlung würden die wieder Krankheiten heilen, statt Körperteile auszutauschen.«
»Warte nur, bis du derjenige bist, der stirbt! Mal gucken, was du dann sagst!«
»Ich würde lieber sterben, als einen Teil eines Wandlers anzunehmen!«, brüllt Connor zurück.
Der Maulbrüter will etwas erwidern, bekommt aber stattdessen einen Hustenanfall, der mindestens eine Minute dauert. Er ist so heftig, dass er sogar Connor Angst macht. Es klingt, als würde Emby seine transplantierte Lunge heraushusten.
»Alles okay?«, fragt Diego.
»Ja.« Emby ringt um Fassung. »Wie ich gesagt habe, die Lunge hat Asthma. Etwas Besseres konnten wir uns nicht leisten.«
In Connors Augen gibt es nichts weiter zu sagen. Hayden sieht das anders.
»Wenn deine Eltern das alles auf sich genommen haben, warum lassen sie dich jetzt umwandeln?«
Hayden und seine Fragen. Diese bringt Emby eine Weile zum Schweigen. Es ist offenbar ein schwieriges Thema für ihn – vielleicht schwieriger noch als für die meisten Wandler.
»Meine Eltern haben die Verfügung nicht unterschrieben«, sagt er schließlich. »Mein Vater ist gestorben, als ich noch klein war, und meine Mom vor zwei Monaten. Da hat mich meine Tante aufgenommen. Die Sache ist die: Meine Mom hat mir ein bisschen Geld hinterlassen, aber meine Tante hat selber drei Kinder, die sie aufs College bringen will, also …«
Er braucht den Satz nicht zu beenden.
»Mann, ist das widerlich«, sagte Diego.
»Ja«, sagt Connor, dessen Wut sich von Emby auf seine Tante verlagert.
»Es geht doch immer nur ums Geld«, sagt Hayden. »Als sich meine Eltern getrennt haben, haben sie sich um das Geld gestritten, bis nichts mehr da war. Dann haben sie sich um mich gestritten. Ich bin abgehauen, ehe von mir auch nichts mehr da ist.«
Wieder kehrt Stille ein. Es ist nichts zu hören als das Dröhnen der Triebwerke und das Scheppern der Container. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit fällt das Atmen schwer. Connor fragt sich, ob die Tarnkappen vielleicht nicht richtig ausgerechnet haben, wie viel Luft sie brauchen. Wir werden alle hier drin umkommen , hat Emby gesagt. Connor schlägt mit dem Kopf gegen die Wand, um die quälenden Gedanken zu vertreiben. Dieser Ort ist nicht
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