Vollendet (German Edition)
recht. Sie kann seinen Weggang bestenfalls hinauszögern, aber aufhalten kann sie ihn nicht.
»Also«, sagt Lev, nun ein wenig ruhiger. »Habe ich ansteckende Hepatitis oder nicht?«
Sie seufzt. »Nein, hast du nicht.«
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und öffnet die Tür. So entschlossen ist er, hier wegzukommen, dass er sich nicht einmal von ihr verabschiedet.
»Aber in einem hast du unrecht«, ruft Risa ihm hinterher, ehe er durch die Tür ist. »Du bist genauso naiv wie früher. Und ungefähr doppelt so dumm.«
Dann ist er weg. Am selben Nachmittag holt ein weißer Van Lev, Mai und den Glatzkopf ab. Wieder glaubt Risa, dass sie Lev zum letzten Mal sieht. Wieder täuscht sie sich.
37. Emby und Admiral
Emby hat keine Ahnung von den vielen Zahnrädchen, die sich auf dem Friedhof drehen – und erst recht nicht, dass er eins davon ist. Seine Welt passt zwischen die Seiten seiner Comics und in das klar umgrenzte Gehäuse des Flipperautomaten. Emby hält sich konsequent an diese kleine Welt, um sich vor der Ungerechtigkeit und Grausamkeit des Lebens da draußen zu schützen.
Das merkwürdige Trio, das soeben nach Alaska aufgebrochen ist, ist für Emby kein Thema. Auch von Connors Anspannung spürt Emby nichts. Connor kann ganz gut auf sich selbst aufpassen. Um Roland macht sich Emby keine Gedanken – er geht ihm nur aus dem Weg.
Aber dadurch, dass er den Kopf einzieht, ist Emby noch lange nicht aus dem Schneider. Im Gegenteil, er ist das Hindernis in der Mitte des Flippers, von dem jeder Ball, der im Spiel ist, abprallen wird.
Der Admiral hat ihn zu sich gerufen.
Emby steht nervös vor dem Eingang zu dem Flugzeug, das dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika einst als mobiles Kommandozentrum diente. Es sind noch zwei andere Männer da. Sie tragen weiße Hemden und dunkle Krawatten. Die schwarze Limousine, die am Fuß der Treppe steht, muss ihnen gehören. Der Admiral sitzt an seinem Schreibtisch. Emby versucht zu entscheiden, ob er reingehen oder besser davonlaufen soll. Aber der Admiral hat ihn bereits entdeckt, und sein Blick friert Emby die Füße an Ort und Stelle fest.
»Sie wollten mich sehen, Sir?«
»Ja. Setz dich, Zachary.«
Er zwingt seine Beine, ihn zu dem freien Stuhl gegenüber dem Admiral zu tragen. »Emby«, sagt er. »Alle nennen mich einfach Emby.«
»Ist das deine Entscheidung oder ihre?«, fragt der Admiral.
»Na ja … vor allem ihre, aber ich habe mich daran gewöhnt.«
»Lass dir nie von jemand anderem einen Namen verpassen.« Der Admiral blättert durch eine Akte, an der Embys Foto hängt. Es ist eine dicke Akte. Emby kann sich gar nicht vorstellen, dass sein Leben genug hergibt für eine ganze Akte. »Du weißt es vielleicht nicht, aber du bist etwas ganz Besonderes«, sagt der Admiral.
Emby starrt seine Schnürsenkel an, deren Schlaufe sich wie immer gerade auflöst. »Bin ich deshalb hier, Sir? Weil ich etwas Besonderes bin?«
»Ja, das bist du, Zachary. Und deswegen wirst du uns heute auch verlassen.«
Emby blickt auf. »Was?«
»Es gibt jemanden, der dich kennenlernen möchte. Besser gesagt, es gibt eine Person, die schon sehr lange nach dir sucht.«
»Wirklich?«
»Die beiden Männer hier werden dich hinbringen.«
»Wer ist es?« Emby gibt sich schon lange der Fantasievorstellung hin, dass seine Mutter oder sein Vater noch am Leben sind. Er hat immer davon geträumt, dass sein Vater in Wahrheit ein Spion war und sein Tod vor vielen Jahren nur von offizieller Seite inszeniert wurde, während er in den Krisenregionen der Welt gegen das Böse kämpft – genau wie Embys Comic-Helden.
»Es ist niemand, den du kennst.« Der Admiral zerschmettert Embys Hoffnungen mit einem Schlag. »Aber sie ist eine gute Frau. Genauer gesagt, ist sie meine Exfrau.«
»Ich … ich verstehe nicht.«
»Du wirst bald alles verstehen. Keine Sorge.«
Für Emby sind diese Worte ein einziger, überwältigender Grund zur Sorge. In einem Anfall von Panik atmet er zu tief ein, seine Bronchien ziehen sich zusammen, und seine Lunge beginnt zu pfeifen. Der Admiral sieht ihn besorgt an.
»Fehlt dir etwas?«
»Asthma«, sagt Emby. Er zieht einen Inhalator aus der Tasche und nimmt einen Sprühstoß.
»Ja«, sagt der Admiral. »Mein Sohn hatte Asthma. Er hat sehr gut auf Xolair angesprochen.« Er wirft einem der Männer hinter Emby einen Blick zu. »Bitte besorgen Sie dem jungen Mann Xolair.«
»Ja, Admiral Dunfee.«
Embys Gehirn braucht eine Weile, bis diese Information
Weitere Kostenlose Bücher