Vollendung - Thriller
Erinnerung nicht trügt, hatten sie schon Jahrzehnte vor meiner Ankunft nicht mehr hier gewohnt. Sie sind in eine wohlhabendere Gegend gezogen, und das Geschenk der Pietà war eine sentimentale Anwandlung seitens einer ihrer ältesten Damen, soweit ich verstanden habe. Unser Diakon zur Zeit des Diebstahls, ein Scalabrini-Bruder, der inzwischen weitergezogen ist, hat sich jedoch die Mühe gemacht, sie ausfindig zu machen. Er hat jemanden gefunden, eine Tochter, glaube ich, aber die Person, mit der er sprach, sagte, wir sollten uns nicht die Mühe machen, eine neue Plakette anzubringen, da die Familie nicht wünschte, weiterhin mit unserer Kirche in Verbindung gebracht zu werden.«
Markham und Cathy wechselten einen Blick.
»Dieser Diakon«, sagte Markham. »Wissen Sie, wie er den Namen der Familie entdeckt hat? Gibt es Aufzeichnungen von Spenden und dergleichen in Ihren Akten?«
»Ich nehme an, dass er ihn dort gefunden hat, ja. Vielleicht auch, indem er in der Gemeinde herumgefragt hat.«
»Und diese Aufzeichnungen, diese Akten – haben Sie die noch?«
»Ich denke schon. Aber um ehrlich zu sein, Agent Markham, ich wüsste nicht einmal, wo ich zu suchen anfangen sollte. Alle Unterlagen, die älter als fünf Jahre sind, räumen wir in den Keller, wo sie zu den Altakten gestapelt werden, zusammen mit den ganzen Dokumenten, die aus der alten Kirche nach deren Renovierung Ende der Sechzigerjahre umgeräumt wurden – Zeug, das beinahe hundert Jahre zurückreicht. Ironischerweise war es die Suche des Diakons nach dem Namen dieser Familie, die uns motiviert hat, dort unten einmal richtig aufzuräumen. Doch selbst wenn Sie die Aufzeichnung über die Spende finden, Agent Markham, könnte es sein, dass Sie immer noch die überlebenden Familienmitglieder aufstöbern müssen, wie es unser Mann vor drei Jahren getan hat. Wenn Sie wollen, kann ich über die Scalabrini-Brüder herausfinden, wo der Diakon stationiert ist, und ihn fragen, ob er sich an den Nachnamen erinnert, ob er noch weiß, wo die Familie jetzt wohnt. Bis Anfang nächster Woche müsste ich Ihnen Bescheid sagen können.«
»Unter normalen Umständen wäre das in Ordnung, Hochwürden. Aber nach dem Mord an Cathys Exmann, nach der Entdeckung der Pietà vor zwei Wochen in Exeter, deutet alles darauf hin, dass der Michelangelo-Mörder wieder töten wird – und zwar bald. Deshalb müssen wir jeder Spur möglichst unverzüglich folgen.«
»Ja«, sagte der Priester. »Ich habe in den Zeitungen davon gelesen. Die Behörden, die Medien scheinen zu glauben, dass seine nächste öffentliche Ausstellung der David sein wird. Ich wette, Dr. Hildebrant, die Verkaufszahlen Ihres Buchs sind steil nach oben geschossen, weil alle möglichen Amateurdetektive nach einem Weg suchen, das Verbrechen zu verhindern, den Fall vor dem FBI zu lösen.«
Cathy sagte nichts.
»Sie haben wahrscheinlich recht, Hochwürden Bonetti«, sagte Markham. »Sie verstehen also, warum es extrem wichtig ist, dass wir den Namen dieser Familie so schnell wie möglich bekommen.«
»Wenn Sie mir die Frage gestatten, Agent Markham, wieso interessiert sich das FBI für eine Familie, die vor mehr als dreißig Jahren eine Statue gestiftet hat? Was hat das alles mit dem Michelangelo-Mörder zu tun, außer dass Sie glauben, er hat unsere Pietà gestohlen?«
»Ich weiß , dass er sie gestohlen hat, Hochwürden Bonetti. Und um ganz offen zu Ihnen zu sein, ich weiß nicht genau, was ich bei dem Ganzen möglicherweise in Erfahrung bringe – vorausgesetzt, es gelingt mir überhaupt, mit der fraglichen Familie Kontakt aufzunehmen. Und um noch offener zu sein – Ihre gestohlene Statue ist die einzige handfeste Spur, die ich im Augenblick habe, der einzige Ort, von dem ich mit Sicherheit weiß, dass der Michelangelo-Mörder dort war, außer den Tatorten und den Plätzen, an denen er seine Statuen ausgestellt hat. Was ich jedoch mit Bestimmtheit weiß, Hochwürden, ist, dass der Diebstahl nicht zufällig geschah – will heißen, ich glaube nicht, dass der Mörder Ihre Pietà im Internet gesehen hat. Nein, ich glaube, der Michelangelo-Mörder wusste von Anfang an über die Statue Bescheid. Er könnte im Lauf der Jahre viele Male in dieser Kirche gesessen holen – vielleicht hat sie ihn schon als Kind fasziniert. Immerhin sagten Sie selbst bei unserer letzten Begegnung, dass alles mit allem verbunden sei.«
»Ja, das sagte ich«, erwiderte der Priester und schien in Gedanken weit fort zu sein.
»Wären
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