Vollendung - Thriller
gelegt, wodurch ihm – bei Minusgraden – das Wasser entzogen wurde, während das Aceton an dessen Stelle trat. Als Nächstes kam das Bad in flüssigem Polymer, in diesem Fall Silikongummi. Durch Erzeugung eines Vakuums kocht und verdampft das Aceton bei sehr niedriger Temperatur und zieht das flüssige Silikon hinter sich in die Zellen. Während die Körper immer noch beweglich waren, hat der Täter dann die Hohlräume ausgestopft, sie in die gewünschte Position auf dem Metallrahmen gebracht – vermutlich mithilfe von Drähten – und sie trocknen lassen. Bedenken Sie, Bill, dass der Kunststoff gehärtet werden muss, und dazu hat der Täter höchstwahrscheinlich Wärme oder U V -Licht benutzt.«
»Großer Gott«, sagte Burrell.
»Ja«, sagte Gates. »Der Junge betreibt einen gehörigen Aufwand. Er hat einen großen Raum – ein Atelier, wenn man so will –, in dem er arbeiten kann. Muss außerdem einen Haufen Geld beiseitegelegt haben. Ein Teil der Ausrüstung wie die U V -Lampen und die luftdicht verschließbare Wanne für die Aceton- und Polymerbäder lässt sich vermutlich selbst zusammenbasteln, aber der Zeitaufwand zum Experimentieren sowie die Zeit, die nötig ist, um jede Leiche einzeln zu konservieren, ist selbst unter günstigsten Bedingungen gewaltig – sie liegt schätzungsweise irgendwo zwischen achthundert und zwölfhundert Arbeitsstunden.«
»Wir suchen also nach einem Kerl, der eine Menge Zeit zur Verfügung hat. Vielleicht jemand, der wohlhabend genug ist, um nicht arbeiten zu müssen.«
»Wahrscheinlich«, sagte Gates. »Die Zeitspanne zwischen Campbells Verschwinden und dem Auftauchen der Leichen unten in Watch Hill beträgt etwas mehr als drei Monate. Selbst wenn er während dieser ganzen Zeit freihatte, muss man nicht eigens erwähnen, dass unser Mann in letzter Zeit nicht viel Schlaf abbekommen hat.«
Im Konferenzraum herrschte Schweigen.
»Verkäufe oder Diebstähle großer Mengen von Aceton«, sagte Gates, »sowie des Silikongummis, der für den Plastinationsprozess benötigt wird, werden ein guter Ansatzpunkt für unsere Teams hier sein. Wir kümmern uns um alles in dieser Richtung.«
Burrell nickte.
»Als Nächstes«, fuhr Dr. Morris fort, »hat die Unterabteilung Farben und Polymere eine Übereinstimmung in unserer Datenbank für die chemische Zusammensetzung der Farbe gefunden, die bei den Figuren von Campbell und Wenick benutzt wurde – es ist eine Mischung aus Autolackfarben auf Acrylbasis der Marke Starfire, darunter eine Grundierung und ein Klarlack. Wie bei dem Epoxid ist diese Marke bei vielen Händlern überall im Land sowie im Internet erhältlich. Die Farbe wurde eindeutig in vielen Schichten auf die Leichen aufgetragen, mithilfe einer Art Spritzpistole. In die Farbe hineingemischt war allerdings ein weißes Pulver, das die Unterabteilung Allgemeine Chemie als gemahlenen Marmor identifiziert hat.«
»Marmor?«, fragte Burrell. »Sie meinen, die Art Marmor, die für Statuen verwendet wird?«
»Ja, genau das meine ich, Bill. Nicht geschiefertes, auf Calcit basierendes metamorphes Gestein, in Molekularstruktur, Farbe und Dichte identisch mit einer Sorte, wie sie unserer Datenbank zufolge nur in einem bestimmten Steinbruch in Italien vorkommt.«
»Carrara«, entfuhr es Cathy.
»Richtig, Dr. Hildebrant«, sagte Gilbert Morris. »Der gemahlene Marmor, den wir in der Farbe fanden, wurde zweifelsfrei im italienischen Carrara abgebaut.«
»Woher wussten Sie das, Cathy?«, sagte Burrell.
»Nun«, begann sie, »Carrara ist eine kleine Stadt etwa hundert Kilometer nordwestlich von Florenz. Der hier abgebaute Marmor ist seit der Antike überaus beliebt bei Bildhauern, und viele von Roms großartigsten Monumenten wurden daraus gemeißelt – wie auch zahlreiche Skulpturen während der Renaissance. Mehr noch als den seiner eigenen Steinbrüche in Pietrasanta hat Michelangelo Marmor aus Carrara wegen seiner Schönheit und Beständigkeit über alle anderen Arten von Stein gepriesen. Tatsächlich hat er seine berühmtesten Meisterwerke alle aus Blöcken von Carrara-Marmor geschaffen.«
»Und man baut dort heute immer noch Marmor ab?«, fragte Rachel Sullivan.
»Ja. Meines Wissens wird Carrara-Marmor immer noch als der beste angesehen, und Statuen aus ihm werden in alle Welt exportiert. Der Marmor selbst ist allerdings bereits sehr teuer.«
»Wie es aussieht«, sagte Burrell, »hat dieser Michelangelo-Mörder also nicht nur gewaltige Mühen und Kosten auf sich
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