Vollendung - Thriller
Michelangelo-Mörder sehr berechnend und geduldig ist, erscheinen fünfeinhalb Jahre als eine sehr lange Zeit dafür, dass er einfach von einem Mord wie dem an Banford zu der Art, wie wir sie bei Campbell und Wenick sehen, gesprungen sein sollte. Sicher, es war wichtig, dass seine Opfer wie die Figuren von Michelangelos Bacchus aussahen, aber wenn wir berücksichtigen, was Banford zugestoßen ist – und, wie ich vermute, Campbell ebenfalls –, dann ist vielleicht das Erwecken der Figuren selbst noch viel bedeutsamer, nicht nur die Interpretation ihrer tieferen Botschaft durch die Öffentlichkeit. Da dieser Bursche so geduldig ist, da er so detailbesessen ist, dass er bereit war, das Risiko zu tragen, das mit der Ermordung einer öffentlichen Person wie Tommy Campbell einhergeht, besteht meine einzige Hoffnung darin, dass er vielleicht nicht riskieren wollte, erwischt zu werden, während er mit anderen Opfern experimentierte.«
»Dann könnte Gabriel Banford ebenfalls ein Experiment gewesen sein.«
»Ja, entweder das oder, wie ich vermute, Teil eines größeren Plans, der noch nicht richtig Gestalt angenommen hatte. Wir werden vielleicht nie erfahren, ob Gabriel Banford der erste Mord unseres Täters war, aber aus Rachel Sullivans Recherchen in den polizeilichen Datenbanken geht bisher hervor, dass es wahrscheinlich der erste war, bei dem er Epinephrin einsetzte – es gibt in den letzten zehn Jahren nirgendwo einen Vermerk, dass bei einem verdächtigen Todesfall eine Überdosis Epinephrin im Spiel gewesen sein könnte.«
»Aber wenn der Michelangelo-Mörder tatsächlich seine Technik wie ein Künstler verfeinert hat«, sagte Cathy, »wenn er in den letzten Jahren im Geheimen mit dem Einsatz von Adrenalin und der Konservierung weiterer Leichen experimentiert hat, dann lässt sich unmöglich sagen, wie viele Menschen er möglicherweise vor Campbell und Wenick, vor der Erschaffung seines Bacchus schon getötet hat.«
»Das ist meine große Befürchtung, Cathy. Das ist genau meine Befürchtung.«
18
F B I -Büro Boston. Zehn nach zehn.
Bill Burrell saß am Konferenztisch und blickte finster in seinen Kaffee. Er brauchte eine Zigarette – brauchte sie dringend –, wollte aber nicht hinausgehen und riskieren, die Verbindung mit Quantico zu verpassen. Markham und die Kunstprofessorin würden sich ein bisschen verspäten – ein Unfall auf der Einfallstraße, hatte Sullivan gesagt. Ein Glücksfall , dachte Burrell, da das Bostoner Büro heute ein peinliches Problem mit seiner Videozuspielung hatte – lag irgendwie an den Sonnenflecken, hatte sein Techniker gesagt, oder an einem fehlerhaften Koaxialkabel. So oder so, Burrell war nicht in der Stimmung, sich verständnisvoll zu zeigen. Nein, das Briefing durch Rachel Sullivan am Morgen – über Gabriel Banford und die Adrenalin-Verbindung – behagte ihm gar nicht. Und der SAC wusste instinktiv, dass die bevorstehende Videokonferenz mit Quantico nicht besser werden würde, denn während Sam Markham immer noch die Hoffnung hegte, dass sie es nur mit drei Opfern zu tun hatten, machte sich in Bulldog Burrell das ungute Gefühl breit, dass dieser Hurensohn von Michelangelo-Mörder nicht nur das Blut von Banford, Wenick und Campbell an seinen Händen hatte.
»Tut mir leid, Bill«, sagte Markham, als er zur Tür hereinkam. »Ich musste noch kurz in der Verwaltung vorbeischauen, damit der Papierkram für Dr. Hildebrant ins Rollen kommt. Cathy, Sie erinnern sich an Special Agent Bill Burrell?«
Es saßen noch weitere Personen um den großen Konferenztisch, aber nur Burrell und Rachel Sullivan standen auf, um sie zu begrüßen.
»Ja, natürlich«, sagte Cathy. »Freut mich, Sie wiederzusehen. Und Sie ebenfalls, Special Agent Sullivan.«
»Nennen Sie mich Rachel.«
»Und mich können Sie Bill nennen«, sagte Burrell. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Ein FB I -Agent, der ihr vorgestellt wurde – und dessen Namen sie sofort wieder vergaß –, machte seinen Platz am Ende des Tischs für sie frei, und Cathy und Markham setzten sich gegenüber von Burrell und Sullivan – vor ihnen an der Wand war ein großflächiger Videoschirm. Cathy bemerkte plötzlich noch einen Mann – er kniete auf dem Boden, und sein Gesäß ragte aus einem Schrank, der sich nahtlos in die mit Walnussholz getäfelte Wand fügte.
»Sie werden uns verzeihen müssen«, fing Burrell an, »aber wir haben heute Morgen ein paar technische Probleme. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen
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