Vollendung - Thriller
BMW Z 4 immer bei dem großen Aussichtsgebäude in der Mitte parkte. Rogers kam seit Jahren hierher; das unebene Gelände und der geringe Verkehr in dieser Gegend waren ideal für sein strenges Laufritual. Ja, er machte unglaublich viel Tempo heute; er würde auf der Bank bei dem großen Aussichtsgebäude sitzen, die kühle Mailuft einatmen und sein Gatorade trinken, bevor die anderen Läufer auch nur eintrafen – vielleicht, ohne dass er auch nur ein einziges Licht in den Häusern angehen sah, an denen er vorbeilief. Es war Montagmorgen. Die Leute in dieser Gegend waren alle berufstätig. Und es verschaffte Rogers große Befriedigung zu wissen, dass er in etwas mehr als einer Stunde bereits mehr Training geschafft hatte, als sie in einer ganzen Woche schaffen würden.
Je nachdem, wann er anfing, war der letzte Abschnitt von Steve Rogers’ Lauf der potenziell dunkelste – besonders im Winter, wenn er den schlecht beleuchteten Ring des Whitewood Drive weit vor Sonnenaufgang erreichte. An diesem Morgen war Steven um 4.00 Uhr aufgestanden, um 4.15 Uhr auf der Piste gewesen und hatte es so bis zu der baumreichen Straße geschafft, als der Himmel hinter den Eichen und Kiefern von einer ersten Morgenröte überzogen wurde. Nun da das Semester vorbei war, nun da er die Entscheidung getroffen hatte, beide Frauen in seinem Leben hinter sich zu lassen, startete Rogers pünktlich in seinen ersten Sommer als Junggeselle. Er hatte sich geschworen, besonders hart zu arbeiten, um seine Marktchancen bei jüngeren Miezen zu erhöhen. Er würde den Rat seines Freundes daheim in Chicago annehmen und die Kontaktszene im Internet ausprobieren; er würde ein Profil erstellen, bei dem er zehn Jahre seines Alters unterschlug, und eine Weile das Feld der Ende Zwanzig-, Anfang Dreißigjährigen in Boston abgrasen. Ja, es war besser, dieses Spiel auswärts zu spielen, als seinen Ruf im heimischen Revier weiter zu beschädigen.
» Vergiss nicht, Steven, man scheißt nicht, wo man isst.«
Sein Herz pumpte kräftig, seine Gedanken waren klar und präzise – Steven Rogers befand sich ganz im Läuferhoch, als er zu dem blauen Toyota Camry kam. Der Wagen stand auf halber Strecke zwischen zwei Laternen am Straßenrand, im Schatten einer großen Eiche – nur eins von vielen Autos, an denen er an diesem Morgen vorbeigelaufen war. Der leidenschaftliche Läufer und wiedergeborene Junggeselle schenkte dem Camry keine Beachtung, als ihn seine teuren Laufschuhe in den Schatten und direkt in die Arme des Bildhauers trugen.
Es ging alles so schnell, dass Steve Rogers kaum Zeit hatte, sich zu fürchten. Er glaubte, aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrzunehmen, dann blitzte ein roter Punkt auf. Ein Mann trat aus dem Gebüsch neben der großen Eiche.
Ein Zischen, ein leiser Knall.
Rogers fühlte einen scharfen Schmerz in der Schulter – in seinem Trapezius. Er fuhr herum, lief aber – rückwärts – weiter, und seine Hand ging automatisch zur Quelle des Schmerzes. Seine Finger fanden etwas und zogen es heraus, als er gerade in den Lichtkegel der Straßenlampe kam. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er einen kleinen gelben Pfeil, etwa von der Größe eines Hausschlüssels. Er wollte gerade um Hilfe schreien, als er einen zweiten Stich spürte, diesmal in der Halsschlagader – es war, als wäre das große blaue Insekt auf dem Gebäude der New England Pest Control herabgeschwebt und hätte ihn gebissen. Wieder schlossen sich seine Finger um den Pfeil, als er den Mann auf sich zukommen sah – einen Mann in einem schwarzen T-Shirt, einen großen, kahlen Mann mit einer komischen Brille und einem Mundvoll weißer Zähne, der breit grinste.
Und als die Schatten und das Licht der Straßenlampe ineinanderflossen, als seine Finger taub wurden und seine Knie nachgaben, dachte Rogers an Mr. Clean, und dass er den Badezimmerboden wischen und Alis blonde Haare entfernen musste, ehe er eine neue Frau nach Hause brachte.
25
M ehr als anderthalb Wochen vergingen, bis Steve Rogers schließlich von seiner verzweifelten Freundin vermisst gemeldet wurde, die mit dem Bus aus New York gekommen war, nachdem ihre wiederholten E-Mails und Anrufe unbeantwortet geblieben waren. Als Ali Daniels bei Rogers zu Hause eintraf, quoll dessen Briefkasten über, und das Providence Sunday Journal der Vorwoche lag mitten im nicht gemähten Rasen vor dem Haus. Rogers’ Z4 war nirgendwo zu sehen – er war bereits abgeschleppt worden, nachdem der Hausmeister des
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