Volles Rohr
sagte Rebecca.
»Ich brauch' was, um mir diesen ekelhaften Everett-
Geschmack aus dem Mund zu spülen.«
»Warst du mit deinem Zode unterwegs?«
»Für dich heißt das immer noch Zodiac«, sagte ich.
»Nein, ich war nicht mit meinem Zode unterwegs.«
Wir begannen unsere Gespräche immer mit so dummen
Sprüchen. Rebecca war Journalistin und brachte den
größten Teil ihres Lebens damit zu, mit Breimäulern und Schönschwätzern zu reden. Wenn sie mit jemandem
sprach, der »Scheiße« sagte, und das auch noch auf
Band, hatte es auf sie eine Wirkung wie Benzedrin. Und dann lief bei uns ja auch immer noch diese untergründige Flirt-Geschichte ab: »He, weißt du noch?« - »Ja, ich weiß noch.« - »War gut, nicht?« - »Ja, war gut.«
»Was macht Projekt Lobster?«
»Wow, du hast dich ja richtig auf dieses Interview
vorbereitet. Es läuft wie geschmiert. Was macht die
Zeitung?«
»Das Übliche. Bürgerkrieg, Aufstand, Finanzkrise. Aber die Leute lesen die Filmkritiken.«
»Statt deinen Sachen?«
»Kommt drauf an, was ich auf der Pfanne habe.«
»Und was hast du auf der Pfanne?«
Sie lächelte, beugte sich vor und sah mich listig an.
»Pleshy ist im Rennen«, verkündete sie.
»Welcher Pleshy? Und seit wann ist er ein Gaul?«
»Der Große Pleshy.«
»Der Schleimer?«
»Ja. Er kandidiert für die Präsidentschaft.«
»Ogottogott. Jetzt kannst du allein essen. Mir ist der Appetit vergangen.«
»Ich wußte, daß du entzückt sein würdest.«
»Und was ist mit Basco ? Muß er den ganzen Scheiß nicht zu treuen Händen geben?«
»Schon passiert. Deswegen weiß ich ja, daß er kandidiert.
Ich hab' einen Freund bei der Bank.«
Die Familie Pleshy stellte die Geschäftsleitung von
Basco - sie hatte diese Firma gegründet - und gehörte damit zu den führenden Verschmutzern des Bostoner
Hafens. Den Verpestern von Vietnam. Der Avantgarde
der Giftmüllbewegung. Ich versuchte schon seit Jahren, ihnen klarzumachen, welchen Mist sie bauten. Dann und wann kippte ich Zement in ihre Abflußrohre, um ihnen meine Argumente näherzubringen.
Dieses Jahr hatte Alvin Pleshy die Leitung der Firma inne; Alvin, genannt Der Schleimer, der früher ein
maßgebliches Mitglied jenes Teams aus
Managementcracks und außenpolitischen Genies
gewesen war, dem wir den Sieg in Vietnam verdanken.
Rebecca zeigte mir Kostproben von der Arbeit seiner PR-Leute: »Viele Umweltschützer haben übertrieben auf die Existenz dieser Verbindungen reagiert«
- nicht
Chemikalien, nicht Schadstoffe, nein, Verbindungen -,
»aber was genau ist 1 ppm, ein Teil pro Million?« Dem folgte eine nette kleine Graphik, die darstellte, wie auf einen Kesselwagen voll reinem Wasser ein Tropfen
»Verbindungen« kam.
»Ja. Sie operieren mit dem NIMAPUGRO-System. Ein
Tropfen im Kesselwagen. Klingt vö llig harmlos. Aber du kannst es auch andersrum sehen. Ein Footballspielfeld hat eine Fläche von zirka 4200 Quadratmetern. Eine
Bananenschale hat eine Fläche von vielleicht 10
Quadratzentimetern. Also beträgt die Fläche der
Bananenschale, die jemand aufs Spielfeld geworfen hat, nur ein paar Teile pro Million. Aber wenn dein
wichtigster Angriffsspieler in dem Moment auf der
Bananenschale ausrutscht, wo die Spielzeit abläuft und du zwei Punkte zurückliegst …«
»Was heißt NIMAPUGRO?«
»Hab' ich dir das nicht scho n mal gesagt?«
»Nein. Erklär's mir.«
»Steht für >Nicht mal punktgroß<. Du erinnerst dich vielleicht, daß es in diesen Gesundheitsbroschüren an der High School immer hieß, man könne eine Stadt wie
Dallas schon mit einem nicht mal punktgroßen Tropfen LSD stoned machen. Kann man sich wesentlich leichter vorstellen als, sagen wir, ein Mikrogramm.«
»Und was hat das mit Football zu tun?«
»Es ist unter anderem mein Job, Bernie Bierbauch
technische Zusammenhänge zu erklären. Bernie hat
vielleicht die Footballspielregeln im Kopf, aber er hat keine Ahnung von PCBs und kann ein Mikrogramm
nicht von einem Cunnilingus unterscheiden. Also
entspricht ein Mikrogramm etwa einem NIMAPUGRO.
Ein Teil pro Million ist ein Tropfen im Kesselwagen -
das sagen die Chemiefirmen immer, damit es nicht so
gefährlich klingt. Wenn man alle Robbenbabys
nebeneinanderlegen würde, die letztes Jahr totgeknüppelt worden sind, würden sie hundert Footballfelder
bedecken. Die Tränen, die die Robbenmuttis vergossen haben, würden mindestens einen Kesselwagen füllen.
Und mit den Abwässern, die ungeklärt in den Hafen
eingeleitet
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