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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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meinem
    Gaschromatographen ihre Geheimnisse erzählt. Und oft sind es die kleinsten Rohre, die den größten Schaden verursachen. Wenn ich ein dickes fettes Abflußrohr
    direkt aus einer Fabrik kommen sehe, mache ich jede
    Wette, daß die Einleiter wenigstens die EPA-
    Bestimmungen gelesen haben. Aber wenn ich so eine
    kleine, unter Wasser versteckte Kanüle entdecke, die von einem kilometerbreiten Vergnügungspark der Industrie ausgeht, dann ziehe ich mir Handschuhe an, bevor ich meine Probe nehme. Und manchmal schmelzen die
    Handschuhe wie Butter in der Sonne.
    In einem wasserdichten Kasten habe ich etliche große gelbe Aufkleber liegen: ACHTUNG! DIESES
    ABFLUSSROHR WIRD REGELMÄSSIG VON GEA
    INTERNATIONAL KONTROLLIERT. BEI
    ÜBERTRETUNG DER EPA-BESTIMMUNGEN
    KANN ES JEDERZEIT VERSTOPFT WERDEN.
    WEITERE INFORMATIONEN BEI (in einen freien
    Zwischenraum geschrieben) SANGAMON TAYLOR
    (und darunter unsere Telefonnummer).
    Ich kann's selbst nicht fassen, wieviel Umweltkriminelle ich mit diesen Aufklebern schnappe. Wenn ich ein
    Abflußrohr entdecke, das nicht gekennzeichnet ist, weil die Besitzer nicht ausfindig gemacht werden wollen,
    bringe ich in der Nähe einen von meinen Aufklebern an.
    Nach spätestens vierzehn Tagen läutet das Telefon.
    »GEA«, sage ich.
    »Spreche ich mit Sangamon Taylor?«
    »Der ist gerade auf dem Lokus. Soll er zurückrufen?«
    »Äh - ja, bitte.«
    »Worüber wollten Sie denn mit ihm reden?«
    »Über diesen Aufkleber.«
    »Welchen?«
    »Den am Island End River, auf halber Höhe etwa.«
    »Okay.« Dann lasse ich mir die Nummer geben, lege auf und rufe sofort zurück.
    Es klingelt einmal, es klingelt zweimal, und schon wird abgehoben. »Chelsea Electroplating, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
    Fall erledigt.
    Ein paar Jahre in dieser Richtung, und ich hatte den Hafen sozusagen in der Tasche. Die EPA nannte mich an den geraden Tagen verantwortungslos und rief mich an den ungeraden an, um Informationen zu erbitten. Hin und wieder stellten Ämter oder Politiker eine mit Millionen dotierte Studie in Aussicht, mit deren Hilfe ergründet werden sollte, woher all der Dreck im Hafen kam, und ich schickte den Leuten meinen Report. Jedes Jahr
    veröffentlichte die Weekly meine Liste der zehn schlimmsten Hafenverschmutzer:
    (1)
    Die Einwohner von Boston
    (Fäkalien).
    (2-3) Basco
    und
    Fotex,
    die immer
    miteinander um den zweiten Platz
    wetteiferten (die ganze
    Schadstoffpalette).
    (4-7) Großlieferanten der Rüstung (diverse
    Lösungsmittel).
    (8-10) Kleine, aber üble
    Schwermetalleinleiter wie Dernisov
    Tanning
    (eine
    Gerberei) und
    verschiedene galvanotechnische
    Betriebe.
    Mit Abwässern wird in Boston umgegangen wie im
    tiefsten Mittelalter. Das meiste von dem, was die
    Toiletten runtergespült wird, geht direkt in den Hafen -
    hundertprozentig ungeklärt. Wenn man südlich der Stadt am Ufer entlangjoggt und die Strömung würzige Düfte
    heranträgt, kann man es überall bräunlich glänzen sehen: das sind Scheißhaufen. Aber im allgemeinen sinken sie auf den Grund und vereinigen sich innig miteinander.
    Heute war ich aus zwei Gründen mit dem Zodiac
    unterwegs. Erstens, um von der Stadt und meinem Job
    wegzukommen und draußen auf dem Wasser zu sein.
    Zweitens, Projekt Lobster. Nummer eins muß ich nicht weiter erklären. Nummer zwei beschäftigte mich seit
    einem guten halben Jahr.
    Normalerweise ziehe ich meine Proben direkt aus den
    Abflußrohren. Aber das genügt keinem. Ich sage den
    Leuten, was eingeleitet wird, und sie sagen: Okay, aber wo bleibt es? Denn Strömungen und Gezeiten können die Schadstoffe ziemlich breit verteilen.
    Theoretisch würde ich gern eine Karte vom Hafen
    nehmen, sie mit einem Gitternetz versehen, dessen
    Schnittpunkte etwa hundert Meter voneinander entfernt sind, und an jedem dieser Punkte eine Probe von dem
    ziehen, was unten auf dem Grund ist. Die Analyse der Proben würde ze igen, wieviel Dreck wir an jeder
    einzelnen Stelle haben, und dann wüßte ich auch, wie er genau verteilt ist.
    Aber praktisch kann ich das nicht machen. Wir haben
    einfach nicht die technischen Mittel, um in diesem
    Ausmaß Proben zu nehmen.
    Aber es gibt für alles eine Lösung. Im Hafen sind
    Hummerfischer zugange. Ihre ganze Arbeit besteht darin, daß sie Geräte zur Probenentnahme (Hummerkörbe)
    versenken und sie dann, mit Proben (Hummern) bestückt, wieder hochhieven. Ich habe eine Absprache mit ein paar Booten. Sie geben mir die miesesten Exemplare aus
    ihrem Fang, und

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