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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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dem Wasser kam, sahen die Hummerfischer
    allmählich, daß ich auf ihrer Seite war. Ein sauberer Hafen war auch in ihrem Interesse.
    Gallagher, der Kapitän der Scoundrel, hätte eigentlich besonders verbiestert sein müssen, weil ich die Tendenz hatte, ihn wegen Spectacle Island zu foppen. Das war keine richtige Insel, sondern eine riesige Müllkippe, die einer seiner Vorfahren im Hafen aufgeschüttet hatte. Der Mann war Eigentümer eines Schleppdampfers gewesen
    und hatte um 1890 das Glück gehabt, von der Stadt
    Boston eine Müllbeseitigungskonzession zu kriegen. Wie mir Rory allerdings oft und laut erklärte, handelte es sich da um die Charlestown-Gallaghers, den reichen,
    arroganten, halb anglisierten Zweig der aus Irland
    gebürtigen Familie. Irgendwann in den zwanziger Jahren hatte sich ein Charlestown-Gallagher bei einer Schlägerei anläßlich einer Hochzeit eine blutige Nase geholt, und so war es zum Bruch zwischen seinem Zweig und dem von
    Rory gekommen
    - den Southie-Gallaghers, den
    bescheidenen Farmern des Meers.
    »Achtung, Achtung, alle Mann an Bord, da kommt 'n
    Umweltschützer mit lange Haare, der will uns entern!«
    rief Rory. Sein Southie-Akzent war so atemberaubend
    wie Senfga s. Die Leute sprachen alle so. Manche Rs von ihnen konnten Stahlbeton in Staub verwandeln. Ich war ein paarmal mit ihnen beim Baseball gewesen; wir hatten auf der unüberdachten Tribüne gesessen, dünnes Bier
    getrunken und dem inzwischen verstorbenen,
    vielbeweinten Dave Henderson Zigarren zugeworfen. Sie mußten einfach laut sein und Scheiß reden, also ließen sie sich über meine Haare aus, die kaum bis zum Kragen reichten. Ich hielt das ein paar Minuten aus, aber dann mußte ich in ein nettes, steriles Einkaufs zentrum, um mich abzuregen.
    »Tschaa, wir haben heute was Schönes für dich, Käptn Taylor - 'n paar ganz lütte, ganz ölige.«
    »Geht ihr heute abend zum Baseball, Rory?«
    »Ja. Warum, willst du mit?«
    »Kann nicht. Ich fahr' morgen nach Jersey.«
    »Nach Jersey! Sach bloß!« Alle Mann an Bord machten
    »Ts, ts, ts«. Sie verstanden nicht, wie jemand so bekloppt sein konnte, nach New Jersey zu fahren.
    Sie schmissen mir ein paar halbtote Hummer rüber und zeigten mir auf der Karte, wo sie sie gefangen hatten. Ich notierte es mir und legte die Tiere auf Eis. Wenn ich aus New Jersey zurück war, würde ich sie
    auseinandernehmen und untersuchen müssen.
    Wir spekulierten darüber, was Sam Horn gegen die
    Yanks tun würde. Diese Typen waren alle rassistisch bis zum Exzeß, aber ihre Helden waren schwarze Hünen mit Schlaghölzern - ein Widerspruch, auf den hinzuweisen ich nicht mutig genug war.
    Dann machte ich mich auf den Weg, um mich dem
    deprimierendsten Teil meines Jobs zu widmen. Die
    Armen haben nach einer Weile den Käse von der
    Sozialhilfe satt und sehen sich nach anderen
    Proteinquellen um. Zum Beispiel nach Fisch. Aber sie können sich kein Boot mieten, um rauszufahren und
    Schwertfisch zu fangen, also angeln sie auf den Piers.
    Das heißt, sie fangen Grundfische. Wer über den
    Bostoner Hafen Bescheid weiß, dem wird schon übel,
    wenn von Grundfisch auch nur die Rede ist, aber diese Leute machen sich über was zu fressen Gedanken und
    nicht über Krebs. Dreiviertel von ihnen kommen aus
    Südostasien.
    Also hatte ich vor einem Monat eine Warnung getippt, was für Auswirkungen Grundfisch aus dem Hafen auf die Gesundheit haben kann, besonders auf die von Kindern im Mutterleib. Ich hielt es für ganz
    allgemeinverständlich: keine chemischen Fachausdrücke, keine Fremdwörter wie »karzinogen«. Nahm den Zettel
    mit ins Pearl, mein Stammlokal, und bat Hoa, ihn ins Vietnamesische zu übersetzen. Trug ihn zu einer
    Dolmetscherin im City Hospital und bat sie, ihn ins
    Kambodschanische zu übersetzen. Ließ ihn von einem
    Freund ins Spanische übersetzen. Faßte alles auf einer Tafel zusammen - eine Art toxischer Rosette-Stein -, ließ einen ganzen Schwung davon anfertigen und machte
    dann ein paar Fahrten um Mitternacht zu den Piers, wo die Leute gern angelten. Wir brachten die Tafeln an
    auffälligen Stellen an, befestigten sie
    mit
    Vierkantschrauben, verleimten sie mit Epoxydkleber und sägten die Schraubenköpfe ab.
    Und als ich nun um die Biegung beim Nordend kam, und zwar mit ziemlichem Tempo, weil ich noch viel erledigen mußte, bevor ich schlafen gehen konnte, sah ich die Pier dort, stachlig von Angelruten.
    Irgendwie konnte ich nicht glauben, daß die Leute alle Sportangler waren. Sie

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