Volles Rohr
Rory«, sagte ich so laut, daß der Mann es hören konnte. »Die öligen Hummer. Die sind schieres Gift. Besonders für Kinder und Schwangere. Schmeißt
sie weg und schiebt euch statt dessen einen Big Mac rein.
Wenn ihr zuviel Hummer eßt, kriegt ihr überall Pickel.
Fängt mit Mitessern an, und von da an geht's bergab.«
Ich drehte mich um und ging. »Was sabbelt der da?«
sagte der Mann mit der Chlorakne.
Es wurde Zeit, die PR-Maschine von GEA anzuwerfen,
meine Kontaktleute bei den Medien anzurufen und Krach wegen der öligen Hummer zu schlagen. Mußte auch
jemanden aus dem Gesundheitswesen informieren.
Vielleicht konnte Dr. J. die Botschaft bei den Medizinern verbreiten. Ich klingelte die Notaufnahme an.
»Was gibt's Neues?« fragte er.
»Chlorakne.«
»Brr!«
»Halt die Augen offen. Sag es deinen Kollegen. Fischer, Leute aus Südostasien, alle, die Fisch aus dem Hafen essen.«
»Wo kommt das her?«
»Weiß ich nicht. Aber ich werde die Schuldigen finden, und ich werde sie schlachten.«
»Gewaltfrei.«
»Natürlich. Ich muß jetzt aufhören.«
»Danke für den Tip, S. T.«
Als ich wieder beim Zodiac war, setzte ich den
Benzinschlauch ein. Dann sauste ich zum MIT-Kai,
machte fest und joggte zum Büro.
Kein Mensch da. Vielleicht waren sie beim Sox-Spiel -
auf besseren Plätzen. Ich schnappte mir den Tauchanzug und eine Sauerstoffflasche, Probengefäße
-
Erdnußbuttergläser
- und einen lichtstarken
Prismenfeldstecher. Bis der Regen kam, mußte das Licht, das von der Stadt ausging, zur Orientierung reichen.
Nahm außerdem einen großen Elektronenblitz mit, den
wir einfach deswegen haben, weil er ungemein hell und irritierend ist, und auf dem Rückweg zum Zode kaufte ich zwei Portionen Gyros und einen Sechserpack Bier.
Als ich dann auf dem Wasser zwischen Spectacle Island und South Boston war, war der Himmel im Osten blau
und im Westen schwarz. Ich wollte keine Zeit
verschwenden. Ich war saumüde, mutterseelenallein, der Wind frischte auf, die Temperatur ging zurück, und unter mir war ein Meer von Gift. Ich zwängte mich in den
Darth-Vader-Anzug, zog die Maske übers Gesicht,
machte den Elektronenblitz an und tauchte.
Diese Art Arbeit ist ungemein lästig, und Proben direkt vom Meeresgrund zu nehmen ist wirklich das allerletzte Mittel. Daher Projekt Lobster. Ich hatte gehofft, daß die Hummer mir zeigen würden, wo ich meine Bemühungen
konzentrieren mußte. Heute nachmittag hatte es sich
ausgezahlt, und jetzt mußte ich es eben bis zu Ende
durchziehen.
Es war nur schwierig, sich vorzustellen, daß der Hummer gerade hier soviel PCBs abbekommen hatte. Wenn er
sich in Ufernähe aufgehalten hätte, bei einem Betrieb oder unter einem Abflußrohr von Basco, hätte ich's
kapiert. Aber hier war nichts.
Als ich jedoch an den Tatort kam und ein bißchen
rumleuchtete, wurde ich daran erinnert, daß »nichts« ein sehr relativer Begriff ist. Ich stand am Sockel von
Spectacle Island, blickte um mich und sah so ziemlich alles, von der Cola-Dose bis zum gesunkenen Trawler.
Wenn ich stundenlang den Grund absuchte, würde ich
vielleicht eine Garnitur anonyme 55-Gallonen-Fässer von einer Firma entdecken, die nicht wußte, wohin mit ihren PCBs. Wenn ich es dann auch noch schaffte, diese Firma aufzuspüren, konnte ich bald ihr Logo an den Bug
meines Zodiac pinseln. Da waren schon zwei, und ich
war ganz wild drauf, einen Hattrick zu landen.
Aber auf fünf Meter im Umkreis standen keine Fässer
herum, und dies war nicht die Zeit für eine großangelegte Suche, also nahm ich mit einem Erdnußbutterglas etwas Dreck vom Grund auf. Schraubte den Deckel zu,
leuchtete die Probe an und sah ein Kondom. Mit
Reservoir, genoppt und gebraucht.
Ein Fetzen Latex konnte die ganze Probe versauen. Ich kippte sie weg, zog eine neue, mit der ich mehr Glück hatte, und schwamm nach oben. Ich war seit 7 Uhr
morgens unterwegs und sehnte mich nach einem bißchen stinknormaler Entspannung.
Ein Onkel von mir ist in New York aufgewachsen. Er hat mir oft vom Kondomtauchen im Hudson erzählt. Wenn
man da an einer bestimmten Stelle runterschwamm,
konnte man sie vom Flußbett auflesen. Sie wurden
getrocknet, aufgerollt und für fünf Cent verkauft. Das war während des Krieges, und die Nachfrage war groß, weil
ziemlich viele Matrosen in New York
rumschwirrten.
Als Teen überlegte ich mir, wie diese Kondome in den Hudson gekommen waren. Zogen die Matrosen ihre
gebrauchten Kondome ab, fuhren mit dem Bus
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