Vollmeisen
seinem Verschwinden zu tun? Du hast ein Motiv, die meisten Verbrechen werden aus Leidenschaft begangen. Die wollen gar nicht deine Hilfe, die wollen dir den Mord an Simon in die Schuhe schieben.«
»Meinst du?« Entsetzt starrte ich meine Mutter an. »Glaubst du, Simon ist tot?«
»Na ja, ich nicht«, räumte meine Mutter ein, »aber die Polizei glaubt das ganz bestimmt, die kennt den doch nicht. Die sehen nur einen erfolgreichen Geschäftsmann, der plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist, sich nicht mehr um seine Firma kümmert, und die sehen dich, die verlassene, betrogene Frau. Die zählen eins und eins zusammen, und schwupps, bist du die Hauptverdächtige in einem Mordfall.«
O Gott, so hatte ich die Sache noch gar nicht gesehen. »Was soll ich denn jetzt machen, Mama?«, jammerte ich. »Ich will keine Verdächtige sein. Bestimmt drehen die mich stundenlang durch die Mangel und lassen mich nicht aufs Klo. Und irgendwann haben die mich so wirr gemacht, dass ich alles gestehe.«
Meine Mutter nickte sehr bedächtig mit dem Kopf. »Ich habe so was mal im Fernsehen gesehen, dem Mann wurde jedes Wort im Mund umgedreht, und am Ende hat er lebenslänglich bekommen, dabei sollte er nur wegen Ladendiebstahls vernommen werden. WeiÃt du was? Ich begleite dich. Wenn wir zu zweit sind, kommen die mit ihren Psycho-Spielchen nicht weit. Im Gegenteil, die werden von uns noch was lernen können.«
Bevor wir am nächsten Tag vor dem Präsidium aus dem Auto stiegen, bestand meine Mutter darauf, dass wir die mitgebrachten Schlapphüte aufsetzten. »Zieh ihn dir tief ins Gesicht, Kind, nicht, dass uns noch jemand erkennt.«
Mittlerweile hatte sie mich so kirre gemacht, dass ich mich auch in einen Tschador gewickelt hätte.
Im Büro von Kommissar Schlüter bekamen wir allerdings den ersten Dämpfer â meine Mutter durfte nicht mit rein. Sie sah mich vielsagend an und baute sich dann vor dem Vertreter des Gesetzes auf: »Ich kenne Sie und Ihresgleichen, und ich weiÃ, was Sie vorhaben. Aber ich sage Ihnen, ich werde die ganze Zeit hier vor der Tür sitzen, und wenn meine Tochter nicht regelmäÃig auf die Toilette darf, werde ich Sie wegen AmtsanmaÃung und Willkür im Dienst belangen.«
Kommissar Schlüter schloss die Tür und schaute mich an: »Haben Sie ein Blasenproblem, oder um was geht es hier?«
Ich beschloss, nichts zu sagen, ich würde nicht als Erste die Karten auf den Tisch legen. Dieser Entschluss hielt jedoch nicht lange vor, bevor ich michâs versah, platzte ich auch schon heraus: »Ich war es nicht, Herr Kommissar, ich bin unschuldig. Wirklich, ich wüsste nicht mal, wie man jemanden umbringt, ich kann nicht mal schieÃen.«
Schlüter guckte mich an, als ob ich nicht ganz dicht wäre. »Frau Wörthing, mal ganz langsam â was waren Sie nicht? Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
Aha, die Masche kannte ich auch, guter Polizist und böser Polizist. Hektisch sah ich mich nach einem zweiten Staatsdiener um, aber der böse hatte anscheinend Verspätung. »Ich habe Simon nicht umgebracht, ich war es nicht«, quiekte ich und fing auch noch an zu heulen. Fast im gleichen Moment wurde die Tür aufgerissen, und meine Mutter stürzte ins Zimmer: »Was haben Sie mit meiner Tochter gemacht? Hat das arme Kind nicht schon genug durchgemacht? Und nun drangsalieren Sie sie auch noch, Sie sollten sich was schämen!«
Nun hatte Schlüter genug. »Raus hier, aber sofort!«, brüllte er meine Mutter an. »Sind denn hier alle verrückt geworden? Wenn Sie hier noch einmal stören, lass ich Sie in Gewahrsam nehmen, haben Sie mich verstanden?«
Das musste man meiner Mutter lassen, leicht einschüchtern lieà sie sich nicht: »O ja, ich habe Sie mehr als deutlich verstanden. Ich werde drauÃen warten, aber sehen Sie sich vor.« Mit diesen Worten verlieà sie das Zimmer, und Schlüter wandte sich erschöpft an mich. »So. Würden Sie mir freundlicherweise mal sagen, was hier los ist? Wen haben Sie nicht umgebracht, und was hat Ihre Mutter für Probleme? Ich habe noch genau elf Jahre bis zur Pensionierung, und die würde ich gerne ohne Nervenzusammenbruch hinter mich bringen.«
Oh. Ich putzte mir die Nase und stotterte was von »da haben wir vielleicht ein bisschen was falsch verstanden, meine Mutter glaubte, Sie wollen mir einen Mord an
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