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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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könnte da nur nach neunzehn Uhr gedreht werden, aber vielleicht wäre das trotzdem was?«
    Â»Das wäre ja super, und Nachtdreh ist überhaupt kein Problem, machen wir oft so. Alice, du Süße, du bist meine Rettung!«, antwortete Nick – und gab mir einen Kuss auf die heile Wange.
    Wenn das der Preis für die Werkstatt meines Vaters war, würde ich ihn immer wieder bezahlen. Ich hatte weiche Knie und das nur von einem harmlosen Kuss auf die Wange. Aber Nick war ja auch so süß!
    Â»Leier das bitte gleich heute noch an, und hol dir das Okay vom Eigentümer, ich bin in meinem Büro«, – und weg war er. Das Okay vom Eigentümer, alles klar. Ich sah direkt das Gesicht meines Vaters vor mir, wenn ich ihm die Einwilligungserklärung einer Firma namens Big Balls für einen Pornodreh in seinem Laden vorlegen würde. Der arme Mann würde auf der Stelle einen Herzinfarkt bekommen. Aber, redete ich mir ein, er würde ja gar nichts davon mitbekommen, schließlich war er jeden Abend allerspätestens um halb sechs zu Hause und morgens frühestens gegen sieben wieder da. Ein guter Plan.
    Später am Tag lernte ich den Buchhalter Jürgen kennen. Und, was sollte ich sagen, er erfüllte alle Klischees. Die Haare waren ganz komisch gescheitelt und, wirklich wahr, er trug eine braune Cordhose.
    Ohne eine Miene zu verziehen, gab er mir die Hand. »Ich bin Jürgen. Es ist sehr wichtig, dass hier immer alles ordentlich ist, also richte bitte, besonders in der Küche, kein Chaos an. Ich habe ein System entwickelt, das kann ich dir jetzt zeigen.«
    Na, da war ich aber gespannt. Ich folgte ihm in die Küche, wo er zuerst den Kühlschrank aufzog. Die strahlende Sauberkeit verursachte bei mir fast Blindheit. »Das dritte Fach ist noch frei, da kannst du deine Sachen hineinstellen.« Er machte den Kühlschrank wieder zu, und meine Augen versuchten, sich zu erholen. Auf der gegenüberliegenden Seite waren Hängeschränke angebracht.
    Â»Wie du siehst, stehen die Tassen und Teller alle auf dem Kopf. Das ist wichtig, damit keine Keime reinkommen. Und wenn du Geschirr benutzt, musst du es sofort nach Benutzung wieder abwaschen und genau so wieder in die Schränke räumen.«
    Ich sah ihn erst mit großen Augen an, und dann lachte ich. »Ah, verstehe, das ist hier so die Antrittsverarsche, stimmt’s? So wie man in einer Werkstatt immer dem Meister irgendein Gerät holen soll, das es gar nicht gibt. Sehr witzig.«
    Jürgen guckte mich nur unbewegt an. »Nein, das ist natürlich kein Witz, und ich wüsste auch nicht, was daran lustig sein sollte. Das Leben ist sehr viel einfacher, wenn man Ordnung hält.«
    Ah ja. Er meinte es also wirklich ernst! Ich schluckte einen zickigen Kommentar hinunter, schließlich wollte ich es mir bei unserer ersten Begegnung nicht gleich ganz mit ihm verderben, darum sagte ich nur: »Verstehe, dann werde ich mir also Mühe geben, dein System zu beachten«, und ging schnell wieder zu meinem Schreibtisch zurück. Der Mann war mir ziemlich suspekt.
    Den ganzen nächsten Tag dachte ich darüber nach, ob ich Melinda in die Werkstattgeschichte einweihen sollte, damit sie mir im Notfall Rückendeckung geben konnte, aber letztendlich entschied ich mich dagegen. Sie konnte einfach ihren Mund nicht halten. Es war sowieso eine Riesenleistung von ihr, dass sie sich bis jetzt nicht über meinen wahren Beruf verplappert hatte.
    Am Drehtag sollte ich tagsüber frei haben, was mich erst freute. Allerdings nur so lange, bis Nick mir sagte: »Wir sehen uns dann morgen Abend um sieben in der Werkstatt.«
    Wie – ich sollte dabei sein? So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich guckte wohl sehr entsetzt, denn er versuchte sofort, mich zu beruhigen. »Hör zu, da passiert nichts Schlimmes, und du musst auch nur so lange da sein, bis wir mit dem Dreh anfangen. Ich brauche dich da, weil du den Bürokram vorher mit den Leuten abwickeln musst, okay?«
    Tja, was sollte ich sagen, Job ist Job, oder? »Alles klar«, antwortete ich cool, »hab ich kein Problem mit.«
    Ich hatte einen netten freien Tag, von dem ich den Großteil beim Friseur und im Kosmetikstudio verbrachte. Und da ich es wunderbarerweise geschafft hatte, zwei Kilo abzunehmen, kaufte ich mir gleich noch ein solides Businessoutfit. Schließlich wollte ich am Abend gleich klarstellen, auf welcher Seite ich stand.

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