Vollmeisen
jetzt gehen, die Abrechnung hat Zeit bis morgen im Büro. Und noch mal vielen Dank, diese Werkstatt ist wirklich authentisch.«
»Aber gerne doch, das gehört schlieÃlich zu meinem Job«, flötete ich, setzte noch ein verheiÃungsvolles »Bis morgen« hinterher und fuhr vom Hof. Gerade als ich ein »Puh, ist doch alles gut gelaufen« ausstieÃ, sah ich etwas aus dem Augenwinkel, das mir den kalten Angstschweià auf die Stirn trieb. O bitte, das konnte doch nicht wahr sein! Von rechts kam ein Auto an die Ampel gefahren, das ich nur zu gut kannte â ein dunkelroter VW- Bus mit weiÃer Beschriftung â »Wörthings Klempnerbetrieb« ⦠Nie, nie, wirklich nie fuhr mein Vater abends noch in den Laden, was also sollte das jetzt? Während ich noch fieberhaft überlegte, was ich bloà tun sollte, hatte mein Vater grün und bog in die StraÃe zur Werkstatt ein. Mir blieb keine Zeit zum Ãberlegen. Ich gab Gas und riss das Lenkrad nach links, um das Auto meines Vaters leicht zu touchieren. Allerdings hatte ich wohl die Kraft, die so ein Auto hat, unterschätzt â ich rammte dem armen VW den halben Kühlergrill weg, und das kleine Auto meiner Mutter hatte fast keine Motorhaube mehr. Aber zum Glück war uns nichts passiert, ich stieg mit zitternden Knien aus und tat überrascht, meinen Vater aus dem VW klettern zu sehen.
»Papa? O mein Gott, was machst du denn hier, ist dir was passiert?«
Zunächst einmal würdigte mich mein Vater keines Blickes, sondern ging nur um die beiden Autos herum und sah sich den Schaden an. Erst danach war ich dran: »Alice. Erklär mir auf der Stelle, was das soll! Du hast mich regelrecht gerammt!«
»Papa, erzähl doch keinen Unsinn. Du stehst ja unter Schock. Ich hab dich doch gar nicht gesehen. Ich wollte nur umkehren, und plötzlich hat es gekracht.«
»Du hast mich gerammt«, beharrte er auf seiner Meinung.
Blieb nur Plan B â ich fing an zu heulen. »Wie kannst du nur so was sagen?«, schluchzte ich. »Was habe ich dir getan, dass du mir so was zutraust? Meinen eigenen Vater anzufahren.« Nun heulte ich wirklich, denn was für ein Mensch tut so etwas, ihm hätte ja wirklich was passieren können. Wie tief war ich bloà gesunken?
»Hm, na ja, nun«, murmelte mein Vater, »vielleicht habe ich mich ja auch geirrt, nun weine nicht mehr, ist ja gut. Das Auto deiner Mutter ist nicht mehr fahrtüchtig, wir schieben es zur Seite, und dann lass ich es morgen in die Autowerkstatt schleppen. Meiner fährt noch, das reicht auch, wenn der morgen zur Reparatur kommt. Wird schon werden«, sagte er nun deutlich ruhiger. Mein Geheule hörte sich wohl ziemlich schaurig an.
»Steig in den VW, wir fahren nur kurz in den Betrieb, Melinda hat mich gebeten, ihr eine Saugglocke aus dem Lager zu holen. Frag mich nicht, was sie damit will. Danach fahren wir nach Hause und bringen deiner Mutter schonend bei, dass ihr Auto einen Unfall hatte.«
In die Werkstatt? Nein, das ging auf gar keinen Fall, das konnte ich nicht zulassen! Also fing ich wieder an zu heulen, nur diesmal noch lauter. »Melinda, Melinda, immer dreht sich alles um Melinda. Ihr hast du immer Erdbeereis gekauft und mir nur Vanille«, heulte ich.
»Ja, aber du mochtest doch Vanille«, antwortete mein Vater ratlos.
»Nein, mochte ich nicht, ich habe Vanille gehasst. Aber dir war das ja egal, Hauptsache, Melinda hatte ihr Erdbeereis. Und sie durfte im Zirkus das weiÃe Pony reiten und ich nur das doofe braune, glaub ja nicht, dass ich das vergessen hätte.«
»Ach, Alice«, seufzte mein Vater, »ich weià gar nicht, was mit dir los ist, und ich erinnere mich an keine Ponys. Ich glaube, du bist ganz durcheinander wegen des Unfalls.«
»Ja«, schniefte ich, »das bin ich auch. Aber statt mich nach Hause zu bringen, wo ich mich von dem Schock erholen könnte, müssen wir erst noch Melindas blöde Saugglocke holen.«
»Ich weià nicht, was wir falsch gemacht haben mit euch beiden«, schüttelte mein Vater seinen Kopf. »Ich verstehe das alles nicht. Wärst du zufrieden, wenn wir jetzt direkt nach Hause fahren und nicht die Saugglocke holen? Hörst du dann auf zu weinen?«
Und ob ich dann zufrieden wäre. »Ja, Papa, das ist gut. Nach Hause, ich will nur nach Hause.« Ich verkniff mir den Zusatz »nach Tara« und stieg ein. Du meine Güte, diese
Weitere Kostenlose Bücher